Zusammenkunft in Köln Symposium über demokratische Verfahren in der Kulturpolitik

Köln · Der Wutbürger hat Konjunktur. Zwar stoppte am 13. April 2010 letztlich der Kölner Rat den Neubau des Schauspielhauses, freilich getrieben vom erfolgreichen Bürgerbegehren für die Sanierung. Der Protest gegen "Stuttgart 21" schwappte über die Landesgrenzen, und aktuell läuft in Köln ein Bürgerbegehren gegen den Bau des Jüdischen Museums.

 Ein Luftschloss blieb das neue Kölner Schauspielhaus, das nach den Planungen der Kölner und Pariser Architektenbüros JSWD und Chaix & Morel so aussehen sollte, nach erfolgreichem Bürgerbegehren aber verhindert wurde.

Ein Luftschloss blieb das neue Kölner Schauspielhaus, das nach den Planungen der Kölner und Pariser Architektenbüros JSWD und Chaix & Morel so aussehen sollte, nach erfolgreichem Bürgerbegehren aber verhindert wurde.

Foto: JSWD/CHAIX & MOREL

Offenbar wird Max Frischs Satz "Demokratie heißt, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen" beherzigt. Allerdings oft erst dann, wenn städtische Planungen abgeschlossen oder gar per Ratsbeschluss besiegelt sind.

Wie Bürger früh und strukturiert eingebunden werden können, untersuchte gestern das vom Kölner Kulturrat organisierte Symposium über "Bürgerbeteiligung und Kultur" im Museum für Angewandte Kunst. Kulturratssprecher Peter Bach prangerte "das Totalversagen der Kölner Politik" beim Kulturentwicklungsplan an: "Da werden Tausende von Stunden der Bürgerbeteiligung einfach ignoriert, indem man die Umsetzung abschneidet."

SPD-Fraktionschef Martin Börschel sah dieses Defizit in einer Blockade des Ex-Kulturdezernenten Georg Quander begründet. Nachfolgerin Susanne Laugwitz-Aulbach sicherte am Rand der Tagung zu, "dass ich noch vor Ostern einen Strukturvorschlag mache, wie wir damit weiter umgehen". Dabei liege ihr "nicht daran, Förderung einzustellen, sondern zu verbessern".

Ansonsten prägte neben einer Flut von Gemeinplätzen der Zwist ums Jüdische Museum weite Teile des Symposiums. Laugwitz-Aulbach betonte erneut, dass dies "ein herausragendes Projekt der Stadt sei", während Bach angesichts des Meinungsstreits die klare Führung des Oberbürgermeisters vermisste. Sein Kulturrats-Kollege Olaf Wegner sieht das anders: Er beklagt, dass Bürger oft erst nach einem langen Verfahren wach werden, und pocht auf die Rechtssicherheit nach getroffenen Ratsbeschlüssen.

CDU-Kultursprecher Ralph Elster glaubt hingegen, dass sich die Rahmenbedingungen dieses Projekts signifikant geändert haben. Börschel nimmt zwar auch "einen Riss durch die Bürgerschaft wahr, der mich betrübt", sagt aber, "dass man in dieser Frage bei einer Umkehr mehr verlorene Kosten als Einsparungen hätte".

Grünen-Kollegin Barbara Moritz verweist darauf, dass man Bürgerbeteiligung in dieser Frage heute anders organisieren würde, doch sei das Verfahren seinerzeit nach besten Standards durchgeführt worden. FDP-Fraktionschef Ralph Sterck moniert, "dass schon der Kulturausschuss des Rats alles andere als optimal funktioniert".

Klaus Hebborn, Kulturdezernent des Deutschen Städtetags, sieht für strukturierte Bürgerbeteiligung die Kommunen als naheliegendstes Feld (Stichwort: "Urban Governance") und empfiehlt: "Besser gleich auf den Bürger zugehen, als zu warten, bis er tobt". Dies hat man im Süden der Republik schon begriffen. In Heidelberg gibt es eine öffentliche Vorhabensliste der Stadt, die von einer paritätisch aus Politik und Bürgerschaft besetzten Kommission verfolgt wird. Und Irene Armbruster (Bürgerstiftung Stuttgart) berichtete von den mit Einwohnern erarbeiten Kulturleitlinien der Stadt.

Da will Köln folgen. Börschel: "Wir streben die möglichst frühe Information der Bürger über jedes Projekt an", wobei Moritz nicht nur die Teilhabe "eines elitären Clübchens", sondern aller Schichten möchte. Kölns Stadtverwaltung soll bis zum Sommer entsprechende Vorschläge erarbeiten - zum Unwillen der Freien Wähler, aber unter Ausschluss der "Betroffenen".Börschel indes erklärt: "Für die Entwicklung eines strukturierten Verfahrens ist der legitimierte Rat zuständig."

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