Ausstellung in Bonn Susanne Krell erhält den neuen Ida Dehmel-Kunstpreis

Bonn · Susanne Krell erhält den neuen Ida Dehmel-Kunstpreis der Künstlerinnengemeinschaft Gedok und stellt im Kunstmuseum Bonn aus.

 80 Tücher mit Frottagen aus 23 Ländern: Susanne Krell in ihrer neuen Installation „zur zeit“.

80 Tücher mit Frottagen aus 23 Ländern: Susanne Krell in ihrer neuen Installation „zur zeit“.

Foto: Benjamin Westhoff

Es sind beklemmende und gleichermaßen Mut machende Bilder, Eindrücke und Farben, die die Künstlerin Susanne Krell auf ihren Streifzügen und ausgedehnten Reisen findet, von ihren weltumspannenden Erkundungen nach Hause bringt und im Bad Honnefer Atelier ausarbeitet. „Zur Zeit _ hier“ heißt eine große, drei Jahrzehnte umspannende Werkschau, die am Sonntag im Roentgen-Museum Neuwied eröffnet wurde. „Zur Zeit _ und weiter“ ist die kleinere Fortsetzung der Retrospektive der in Betzdorf/Sieg geborenen Künstlerin im Kunstmuseum Bonn überschrieben. Das Kunstmuseum ist Gastgeber des Ida Dehmel-Kunstpreises der Gedok (Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden), der an Krell geht und an die Gedok-Gründerin Ida Dehmel erinnert, die vor 150 Jahren geboren wurde.

Mit drei Werken erweist Krell der Jubilarin ihre Reverenz: Die Spurensucherin hat Orte besucht, die für die Biografie der 1942 von den Nazis in den Freitod getriebenen Frauenrechtlerin Dehmel von Bedeutung sind: Krell stand vor dem nicht mehr vorhandenen Geburtshaus in Bingen, dem ebenfalls zerstörten Wohnhaus in der Berliner Lennéstraße — an beide Orte erinnern „Stolpersteine“ – und besuchte das Dehmelhaus in Hamburg. Aus allen drei Orten brachte sie Frottagen mit, Abriebe von Boden- oder Wandstrukturen auf Papier. In Hamburg entstand ein Video. Die Kamerafahrt durch das Haus, ein Gesamtkunstwerk, in dem die Richard und Ida Dehmel gewidmete Stiftung untergebracht ist, wird von einigen Takten aus Arnold Schönbergs Stück „Verklärte Nacht“ begleitet. Das basiert auf einem Text von Richard Dehmel, „Zwei Menschen“.

Tragisches Schicksal

Die Winzertochter Ida Coblenz widmete sich an der Seite des bekannten Lyrikers Richard Dehmel, den sie 1901 in London heiratete und mit dem sie anschließend nach Blankenese zog, der Künstlerförderung. Sie kämpfte in Frauenverbänden für das Wahlrecht und engagierte sich für wohltätige Zwecke. Nach dem Tod des Gatten betreute sie dessen Nachlass und das Künstlerhaus in Blankenese. Sie gründete den Verband Gedok, war im Zonta-Club aktiv. 1933 verlor die Jüdin Dehmel ihre Ämter, durfte nicht mehr publizieren. Freunde verhinderten durch Eingaben ihre Deportation. 1942 setzte Ida Dehmel ihrem Leben in Angst ein Ende.

Krell ergänzt diese Hommage an Ida Dehmel um vier Nesseltücher, die mit Eisenchlorid, Beize, Acryl und Kreide bearbeitet wurden. Wer sie genau betrachtet, erkennt Abdrücke von Steinen, scharf konturierte Strukturen. Es sind Frottagen von Steinen, die Bekannte der Künstlerin aus Auschwitz Birkenau mitbrachten, Spuren von einer Baracke, einer Wegbefestigung, der Rampe und einer Gaskammer. Eine beklemmende Geschichte ohne Worte.

Die Frottage, das Durchreiben von Strukturen etwa mit dem Bleistift – eine Technik aus dem alten China – kam im Surrealismus, insbesondere durch Max Ernst als Inspirationsquelle zu neuer Blüte. Bei Krell ist die druckgrafische Technik ein Mittel, um Spuren zu sichern: „Ich sammle Orte, Steine, Plätze, Gedanken, Menschen und Konzepte“, sagt die Künstlerin.

Buntes Multikulti-Panorama

Seit den frühen 1990er Jahren ist sie unterwegs. Erste Frottagen entstanden 1991 bei den berühmten prähistorischen Dolmen im französischen Carnac. Sie einfach zu fotografieren, erschien ihr als zu banal. Kein Mittel, um den Zauber, die Stimmung, alle vielfältigen Empfindungen zu konservieren. Also legte sie ein DIN A 3-Blatt auf einen Dolmenstein und rieb mit dem Bleistift über das Papier. Ein Foto dokumentiert diesen Akt der Spurensicherung. Rund 700 Blätter aus aller Welt sollten folgen.

So ist es auch bei der zentralen Arbeit im Kunstmuseum: 80 farbige, verschieden große Nesseltücher hängen auf Wäscheständern, jedes weist charakteristische Strukturen des Ortes auf, an dem Krell ihre Tücher hinlegte und das jeweilige Relief durchrieb. Entstanden ist ein buntes Multikulti-Panorama, bei dem Spuren vom Müngersdorfer Stadion unweit der Hagia Sophia in Istanbul hängen, das New Yorker Guggenheim-Museum auf die Bonner Villa Dahm, der Naumburger Dom auf die Rialtobrücke in Venedig treffen. Die ganze, farbige Welt in einem Raum.

Der neue Ida Dehmel-Kunstpreis wird am 4. März, 19 Uhr, im Kunstmuseum Bonn übergeben. Parallel wird die Ausstellung eröffnet; bis 29. März. Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr. Bis zum 12. April zeigt das Roentgen Museum Neuwied eine Krell-Schau, Di-Fr 11-17, Sa, So 14-17 Uhr.

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