Streichquartett-Projekt mit vier renommierten Ensembles

Spannendes Zusammentreffen von Tradition und Avantgarde

Streichquartett-Projekt mit vier renommierten Ensembles
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Kuss Quartett, Pacifica Quartet. Fünf Konzerte mit insgesamt vier international renommierten Streichquartetten, ein Repertoire, das einen weiten Bogen von Joseph Haydn bis zu Helmut Lachenmann spannt:

Beim Streichquartett-Projekt des Beethovenfestes wird in jeder Hinsicht aus dem Vollen geschöpft, und zwar auf einem exorbitant hohen Niveau. Davon legte auch das Eröffnungskonzert des Projektes im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses, das vom Kuss Quartett und dem Pacifica Quartet bestritten wurde, beredtes Zeugnis ab.

Geboten wurde eine spannende Gratwanderung zwischen konventionell und experimentell. Der schmale Grat, der beide Welten trennte, war in diesem Fall die Pause. Und die veranlasste einige Konzertbesucher, dann doch vor dem experimentellen Teil das Weite zu suchen.

Schade eigentlich, denn die apokalyptischen Klänge von George Crumbs 1970 vollendetem Stück "Black Angel" für elektrisch verstärktes Streichquartett, in denen sich nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit der durch den Vietnam-Krieg geprägten politischen Lage jener Zeit widerspiegelt, wurden vom Pacifica Quartet mit enormer Präzision und größter Intensität zum Leben erweckt.

Im Gegensatz zu solch brüchiger Ästhetik schien die erste Konzerthälfte von einer regelrechten Hochglanz-Schöngeisterei geprägt. Wolfgang Amadeus Mozarts B-Dur Quartett (KV 458) etwa bestach durch ein meisterhaft ausbalanciertes Zusammenspiel, bei dem jede Phrase passgenau saß. Ohne jegliche Extravaganzen, aber dafür mit einem unwiderstehlichem Charme, beseelt und glutvoll spielte man Johannes Brahms' B-Dur Quartett op. 67. Ein fulminanter Abend.

Guido Krawinkel

Gesprächskonzert. Auch Töne können ein hartes Schicksal erleiden. Helmut Lachenmann etwa nennt die Töne, die in seinem Drittem Streichquartett vorkommen, mit sanfter Ironie "Heimatvertriebene".

Ihre Heimat aus Dreiklängen und Kadenzen ist weit weg, isoliert finden sie sich in einer fremdartigen Welt aus Geräuschen und eigenwilligen Klängen wieder. Da wird durch extremen Bogendruck ein hartes Knarren erzeugt, oder, durch eine andere Technik, ein geheimnisvolles, hohles Rauschen.

"Braucht man dafür überhaupt gute Instrumente?", fragte jemand bei der "Lecture Recital", einem Gesprächskonzert mit dem Kuss Quartett im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses. Natürlich, so Geiger Oliver Wille: "Es soll ja schön klingen." Verblüffung im Publikum.

Wille präzisierte. Ja, auch ein Lachenmannsches Kratzen auf der Saite könne man schlecht oder gut spielen. Er habe den Komponisten erlebt, wie er einem Cellisten gezeigt habe, ein knarziges Kratzen zu erzeugen. Erst nach einer Weile sei Lachenmann zufrieden gewesen: "So klingt es schön."

Es war eine aufschlussreiche Hörstunde, in der die Musiker Interesse für das Ungewohnte weckten. Wer würde schon ohne entsprechende Hinweise den verkappten Walzer oder die Andeutung einer Gigue erkennen? Ob das alles notiert sei, wollte jemand wissen. Ganz exakt, so Oliver Wille, und Takt zählen müsse man auch, was allerdings höllisch schwierig sei. Einmal verzählt, "und man ist draußen."

Geigerin Jana Kuss verhehlte auch nicht, dass sie lange Zeit Schwierigkeiten mit der Musik gehabt habe, die bewusst gegen Hörgewohnheiten ankämpft. Davon war in der anschließenden Wiedergabe nichts zu spüren. Die beeindruckte durch Intensität, Detailgenauigkeit und Klangsinnlichkeit.

Mathias Nofze

Australian String Quartet, Haas Quartett. "High Tension Wires", Hochspannungsdrähte, hat der australische Komponist Nigel Westlake (Jahrgang 1958) sein erstes Streichquartett untertitelt. Mit dem 1994 entstandenen viersätzigen Werk, eröffnete das "Australian String Quartet" Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses die dritte Ausgabe des ambitionierten Streichquartett-Projekts.

Sophie Rowell und Anne Horton, Violine, Sally Boud, Viola, und Rachel Johnston, Violoncello, spielen seit 2000 zusammen. Das vormalige "Tankstream Quartett" wurde 2007 durch die Ernennung zum "Australian String Quartett" staatlich geadelt.

Tatsächlich produzieren die vier Damen mit entfesselter Energie Hochspannung. Bisweilen verschmelzen die Stimmen zu Flächenklängen, deren Bestandteile - selbst bei unterschiedlichster Tonhöhe - nicht mehr auszumachen sind. Und selbst in von Einzeltönen beherrschten Passagen entsteht ein dichtes Netz hochmusikalischer Interaktionen. Überschäumende Musikalität aber auch bei Mendelssohns D-Dur-Quartett aus op. 44.

Mit Alexander Goehrs von Shakespeare inspirierter Fantasie für Streichquartett und Schlagzeug "Since Brass, nor Stone" op. 80 von 2008 gab das junge, aufstrebende Prager Pavel Haas Quartett aus Veronika Jaruskova und Eva Karova, Violine, Pavel Nikl, Viola, und Peter Jarusek, Violoncello, seine Visitenkarte ab. Das weniger rhythmisch als klangorientiert eingesetzte Schlagwerk (Colin Currie) wirkt wie eine bisweilen fast schon zu autonome "Stimme".

Mit dem von Pavel Haas ursprünglich für eine Jazzband 1925 konzipierten Streichquartett Nr. 2 op. 7, das fürs orgiastische Finale ("Eine wilde Nacht") ein Drum-Set vorsieht, wurde der Abend so energiereich beschlossen wie er begonnen hatte.

Fritz Herzog

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