Eine Bilanz Stephan Berg ist seit zehn Jahren Intendant im Kunstmuseum Bonn

Bonn · Er ist der Herr der Bilder: Stephan Berg war zehn Jahre Intendant im Bonner Kunstmuseum. Der 58-Jährige blickt zurück auf übertroffene Erwartungen und ein Museum, das sich neu erfindet.

Ein inoffizieller Anruf im Feuilleton aus einer städtischen Dienststelle vor etwas über zehn Jahren: Man habe einen exzellenten Nachfolger für den Bonner Kunstmuseumsdirektor Dieter Ronte gefunden. Man könne ihn an seiner aktuellen Wirkungsstätte besuchen und kennenlernen. Dienstreise nach Hannover, Fahrt zum Kunstverein, Treffen mit dem Chef Stephan Berg.

Und die Begegnung mit einem charmanten, äußerst eloquenten, durch und durch von der Kunst begeisterten Quereinsteiger, der über die Germanistik und Kunstkritik zur Kunst kam. Dass er damals in Hannover an dem ambitionierten, spannenden, einen großen Bogen schlagenden Ausstellungsprojekt „Made in Germany“ beteiligt war, ließ für seine Bonner Amtszeit hoffen.

Der begeisterte Menschenfänger

Jetzt ist der heute 58-Jährige seit zehn Jahren in Bonn, die Erwartungen sind übertroffen worden, und er ist der eloquente, begeisterte Menschenfänger geblieben. Nicht so einfach für einen, den es von der Kunststadt Hannover in die Musikstadt Bonn verschlug, der mit der rheinischen Art noch immer hadert – und sich dennoch hier sehr wohl fühlt. Zwei Ziele hatte er sich für Bonn gesetzt: Das Kunstmuseum in der Stadt und bei den Bürgern spürbarer zu machen und die Institution und ihre Programmatik zu öffnen. Beides ist ihm und seinem Team exzellent gelungen.

„Wir haben die Basis verbreitert, das muss aber noch besser werden und kann weitergehen“, sagt er, „ich war vielleicht zu optimistisch, wie schnell man so ein Haus in der Gesellschaft, im Herzen verankern kann“. Er spüre gleichwohl viel Sympathie und Anerkennung. Sicherlich haben spektakuläre Themenausstellungen Menschen ins Haus gelockt, die nicht zum Stammklientel zählen.

„Wir haben Synapsen in verschiedene Gesellschaftsschichten geöffnet“, meint Berg, „können aus unterschiedlichen Publikumsreservoires schöpfen." Sein Ziel sei es, die Komplexität der Inhalte zu bewahren, während aber die Sinnlichkeit des Zugangs gesteigert werde.

Für den gebürtigen Freiburger ist dieser Prozess nicht abgeschlossen. Der Museumsintendant will die Kooperationen mit Partnern und gesellschaftlichen Gruppen verstärken, sowie mit Institutionen, zum Beispiel der Bonner Universität. Enge Bande gibt es zur Alanus Hochschule: Das feste Kooperationsprojekt heißt „Museum als externer Hochschulort“.

In Bonn soll es einen Studiengang Museumsstudien geben – mit etwa dem Kunstmuseum Bonn und dem Arp Museum als Partner. „Die 20- bis 30-Jährigen zu erreichen, ist schwierig, aber vielleicht gelingt es so.“ Das Kunstmuseums-Format „Studierende führen Studierende“ sei ein wichtiger Schritt.

Der Blick auf ein jüngeres Publikum

Weitere Schritte will das Kunstmuseum – ebenfalls mit Blick auf ein jüngeres Publikum – auch im Bereich Digitalisierung machen. Als Sprecher der NRW-Museen ist Berg mitten in einem Prozess, dessen Fragestellung lautet: „Wie gehen wir mit dem Phänomen Digitalisierung um, welche Tools könnten zusammen mit dem Land entwickelt werden, die für die defizitär ausgestatteten städtischen Museen passen?“

Vorreiter dabei ist die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Dort werde, so Berg, „die komplette Strategie für ein digitales Museum“ entwickelt. Dabei gehe es nicht nur um eine App, sondern um Module, die in den einzelnen Häusern zusammengefügt werden. Das Museum erfindet sich neu.

Berg trat vor zehn Jahren mit einer schmerzlichen Hypothek an: 2007 hatte das Sammlerpaar Ströher, das 2005 die Teile der Sammlung des Baulöwen Hans Grothe erworben hatte, seine Kunst von Bonn abgezogen. Arbeiten von Anselm Kiefer und Gerhard Richter, A.R. Penck, Georg Baselitz, Sigmar Polke und Markus Lüpertz gingen damals verloren.

Es waren langjährige Leihgaben, die den Bonnern geläufig waren, die zur DNA des 1992 eröffneten Neubaus gehörten. Berg hatte schnell erkannt, dass diese Lücken weder mit neuerlichen Leihgaben, geschweige denn mit eigenen Ankäufen zu schließen seien. Er machte aus der Not eine Tugend und verbündete sich mit neuen Sammlern: Mondstudio, KiCo, Scharpff-Striebich und Andreas Hölscher.

Vier Sammler statt der Abhängigkeit von einem Großsammler à la Grothe oder Ströher. Und dazu faire Konditionen, die unter anderem mit sich bringen, dass sich der Bonner Kunstbestand „dynamisch erweitert“ (Berg) und sich die Lagerkosten in Grenzen halten.

Engagement für die Sammlung

Wenn Berg alle zwei Jahre die Dauerausstellung in einer neuen Sortierung vorstellt, wird deutlich, wie sich die Bonner Sammlung dank der Neuerwerbungen und Sammlungen verändert hat – sehr zu ihrem Vorteil. Die Mischung stimmt – und Programmatik des Hauses und die Strategie auch. Dabei kann das Kunstmuseum Bonn wie viele kommunale Museen auch nicht aus dem Vollen schöpfen. Doch Not macht erfinderisch. Und so hat Berg durch Drittmittel seinen Ausstellungsetat in den letzten zehn Jahren um 3,4 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Der jährliche städtische Ausstellungsetat liegt bei 300.000 Euro.

Auch für die Sammlung hat sich das Engagement gelohnt: 1,5 Millionen Euro gab es in den vergangenen zehn Jahre für Neuerwerbungen aus der Stadtkasse; daraus hat Berg mithilfe etlicher Stiftungen und dem Verein der Freunde des Kunstmuseums ein Ankaufsvolumen von drei Millionen Euro gemacht. Hinzu kommen Schenkungen im Wert von rund drei Millionen Euro, die Berg in dem Zeitraum ans Haus geholt hat.

Inhaltlich ist die Ära Berg mit einer langen Reihe exzellenter Ausstellungen verbunden: großartige Themenausstellungen wie „Unheimlich. Innenräume von Edvard Munch bis Max Beckmann“, „Heimsuchung. Unsichere Räume in der Kunst der Gegenwart, „Echtzeit. Die Kunst der Langsamkeit“ und „Tele Gen. Kunst und Fernsehen“; beachtliche Publikumsschauen wie „August Macke und Franz Marc. Eine Künstlerfreundschaft“ und „Ein expressionistischer Sommer – Bonn 2013“; feine Monografien über Susanne Paesler, Georg Herold, Lewis Baltz oder Frank Auerbach.

Bergs Lieblingsausstellungen

Berg selbst hat einige Favoriten: Raoul de Keyser wollte er immer mal zeigen, 2009 war es in Bonn so weit, bei „Heimsuchung“ gefiel ihm in der Balance aus ästhetischem Anspruch und Zugänglich- und Erlebbarkeit, „Macke und Marc“ war der große Versuch, den Kontinent Macke zu erweitern, „Frank Auerbach hat mich berührt“. Er könnte noch eine Reihe mehr nennen, sagt Berg. Er hoffe, dass „Flaneur. Vom Impressionismus bis zur Gegenwart“ (Start: 20. September) auch so eine Lieblingsausstellung werde. Das gelte auch für die Ausstellung „Masken“ in näherer Zukunft und die Ende 2019 startende Großausstellung „Junge Malerei aus Deutschland“, für das die gesamte erste Etage geräumt werde.

Gab es auch weniger Gelungenes? „Die Schau über Laura Owens ist uns nicht so gelungen“, Daniel Roth hat ihn auch enttäuscht, „die Ausstellung war zu leise“.

Berg hat einen Vertrag bis Ende 2020 – der natürlich verlängert werden kann. Wenn er sich etwas wünschen dürfte, würde er gerne zwei besondere Ausstellungen machen: über Willem de Kooning und Arshile Gorky, Bergs amerikanische Lieblingsmaler. Bei Gorky sehe er Chancen. Auch Domenico Gnoli und Mika Rottenberg würde er gerne zeigen.

Geht es nach Berg, würde er am liebsten den Generationswechsel im Kunstmuseum begleiten. Anfang 2020 geht Bergs Vize Christoph Schreier in den Ruhestand, drei Jahre später verlässt der Ausstellungsleiter und Experte für Macke und die Rheinischen Expressionisten, Volker Adolphs, das Haus. Beide haben jahrzehntelang das Kunstmuseum geprägt.

„Hier würde ich die Nachfolgen gerne vorbereiten“, sagt Berg, „Persönlichkeiten zu finden, die da hineinwachsen können und Perspektive haben“. Es spricht vieles dafür, dass Berg in Bonn fast die 20 Jahre voll machen kann. Die Politik ist jetzt am Zug.

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