Steinbrück im "Duell"

Bundesfinanzminister und Karin Hempel-Soos lesen in Bonn aus dem Briefwechsel zwischen Heidegger und Arendt

Steinbrück im "Duell"
Foto: Fischer

Bonn. "Liebe Hannah" schreibt Martin Heidegger an seine Studentin Hannah Arendt, nachdem sie ihn im November 1924 im nassen Regenmantel in seiner Sprechstunde besucht hat.

Aus seinen Briefen - denn Arendt hatte mehr aufgehoben, als Heidegger wegwarf - las Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im "Duell" mit Karin Hempel-Soos in den bis auf den letzten Platz belegten Kammerspielen.

"Das Dämonische hat mich getroffen, in fraulicher Verklärung. Nie noch ist mir so etwas geschehen." Der rebellische Philosoph, der durch seine Nähe zum Nationalsozialismus heute kontrovers diskutiert wird, ist verheiratet und fast zwanzig Jahre älter als die damals 18-jährige Arendt.

Ihre lebenslange Liebe macht sie zu einem der "erstaunlichsten Paare der Neuzeit" - der Antisemit und die Jüdin. Die Briefe ermöglichen einen interessanten Zugang zu der Gedankenwelt eines herausragenden Denkers des 20. Jahrhunderts, denn trotz des "hermeneutischen Abgrundes der Sehnsucht" nach seiner sonnigen Hannah gibt Heidegger auch Einblicke in seine rastlose wissenschaftliche Arbeit, die Arendt später als "Wohnsitz des Erstaunens" bezeichnet.

Die Wege der beiden trennen sich im Sommersemester 1926, weil, wie Heidegger entschuldigend schreibt, "ich dich vergessen musste". Sie sollen sich erst "fünf Jahrfünfte" später wieder sehen. Unterdessen arbeiten beide an ihren Gedanken über das Sein, die Macht, den Willen - er in Freiburg, sie nach ihrer Promotion bei Karl Jaspers schließlich im amerikanischen Exil.

1950 begegnen sie sich wieder, an ihrer Liebe ist nichts gealtert. Nur mischt sich diesmal Heideggers Frau ein, die "von allem Kenntnis hat". Arendt bezeichnet sie als "mordsdämlich", kommt ihren gelegentlichen Einladungen zum Tee aber dennoch nach. Einen eigenwilligen Humor entwickelt der Text zuweilen durch seine zeitliche Ferne und die damit einhergehenden sprachlichen Anachronismen.

Umständlich verabreden die beiden heimlich Liebenden ihre Dates: "Wenn die Lampe in meinem Zimmer brennt, bin ich durch eine Besprechung abgehalten. Dann komme morgen um dieselbe Zeit." Liebe in Zeiten vor der SMS. Steinbrück trägt die Gedanken Heideggers mit ironisch-liebevollem Ton und viel Geschick für rhetorische Pausen vor.

Hempel-Soos antwortet mangels früher Briefe Arendts mit komplexen Auszügen aus deren Rede zu Heideggers 80. Geburtstag. In den Pausen zwischen den Briefen landet Hempel-Soos im Heute: "Du hättest so etwas nie, nie, nie geschrieben", heißt es an die Adresse von Steinbrück.

Der liefert tapfer die ein oder andere Retourkutsche: "Eigentlich wollte ich ja den Hannah-Part lesen." Doch es geht bei dieser Lesung weder um ihn noch um den "Olymp der deutschen Kabarettszene", sondern um eine spannende Beziehung.

Arendt hat sich selbst nie als "deutsche oder jüdische Frau" gesehen, sondern immer als das "Mädchen aus der Ferne" - auch in ihrer Beziehung zu Heidegger. Dieser hat sich trotz aller Zerrissenheit immer wieder zu ihr gewendet: "Bitte Hannah, schreib mir noch einige Worte. Ich kann dich nicht so ziehen lassen."

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