Sprachrohr und Stimme eines deutschen Dichters

Oliver Steller spricht und singt Tucholsky im Bonner Pantheon

Bonn. Oliver Stellers eigene Vertonung von Kurt Tucholskys Gedichten, Bonmots und Chansons, die er im Pantheon an Mann und Frau bringt, bietet eine gelungene Mixtur aus Worten und Musik. Die Klänge, die er mal mit Pathos, mal mit jazzig angehauchter Sinnlichkeit seiner Gitarre entlockt, bleiben jedoch im Hintergrund: Die Inszenierung zielt klar auf die Gefühlswelt der Gäste, die mit den bissigen Pointen des in Berlin geborenen Dichters zum Beben gebracht wird.

Die Musik dient da lediglich zur Intensivierung der Emotionen. Steller, der sich in einem Studium in Boston mit Gitarre, Komposition und Gesang befasste, ist nicht nur ein begnadeter Rezitator, der die Muskeln und somit den Ausdruck seines Gesichts absolut unter Kontrolle hat, sondern zudem ein Musiker, der mit einer warmen Reibeisen-Stimme in den Bann zieht. Er bemüht so manches Mal auch die höheren Tonlagen, um in einem stimmbruchähnlichen Gekrächze das Leben eines Schülers nachzuzeichnen.

Dazu zupft er mit einem Kleine-Jungen-Grinsen naiv auf den sechs Saiten seiner Klampfe. Das Leben des Dichters erzählt Steller chronologisch, ohne Nasenoperationen oder pikante Details des Liebeslebens auszulassen. Die Interpretation von Tucholskys Werk, die er auch mal ohne Instrument, nur mit seiner Gestik und dem nervösen Spiel seiner Finger, die die andere Hand oder den Saum seines Hemdes kneten und somit Befangenheit ausdrücken, vornimmt, ist stets stimmig. Sowohl Tucholsky-Kenner als auch unbeleckte Gemüter haben es nicht schwer, dem Geschehen durch die eingeworfenen Kommentare Stellers zu folgen: Der Musiker ist Sprachrohr und Stimme zugleich, und das macht seinen Tucholsky-Abend so interessant und unterhaltsam.

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