Sonntagskonzert: Beethovenhalle nicht einmal zur Hälfte besetzt

Gastdirigent Anthony Bramall präsentiert in Bonn Beethoven, Berg und Strauss

Bonn. Das jüngste Sonntagkonzert des Beethoven Orchesters war ein äußerst personalintensives. Sowohl für Alban Bergs Bruchstücke aus dem "Wozzeck" als auch für Richard Strauss' Tondichtung "Ein Heldenleben" reicht die klassische Besetzung bei weitem nicht aus.

Doch während auf dem Podium drangvolle Enge herrschte, war das Publikum nur in Kammerkonzertstärke angerückt: Nicht einmal zur Hälfte besetzt war die Beethovenhalle, was ein bezeichnendes Licht auf die sonntäglichen 18-Uhr-Konzerte insgesamt wirft: Über eine Termin-Alternative müsste dringend nachgedacht werden.

Das Programm war so schrecklich nicht, dass es die Menschen hätte abschrecken müssen. Immerhin begann es mit Beethoven, dessen Coriolan-Ouvertüre Gastdirigent Anthony Bramall als Eröffnungstück ausgewählt hatte. Der Brite ist kein Revolutionär am Pult, aber ein solider Techniker und auf einen schönen, abgerundeten Klang wie auf ausdrucksvolles Muszieren bedacht. Bei der Umsetzung spielte das Beethoven Orchester konzentriert mit.

In seiner künstlerischen Heimat Karlsruhe macht Bramall vor allem in der Oper von sich reden. Als ausgebildeter Sänger ist er ohnehin ein Dirigent, der sehr stark vom Vokalen her denkt. So war es auch nur folgerichtig, dass er das Operngenre mit den Wozzeck-Bruchstücken in den Konzertsaal übertrug.

Den Solopart sang die in Bonn geborene und in Chicago aufgewachsene Sopranistin Elisabeth Werres, die zugleich die Ehefrau des Dirigenten ist. Während Bramall die Bonner Musiker zu sehr präzisem Spiel anhielt, die expressiven Eruptionen pointiert setzte, aber das Orchester am Ende des ersten Teils auch geradezu ätherisch klingen ließ, sang Werres die Partie der Marie mit anrührender Leidenschaft.

Sie stellte die Emotionen dieser tragischen Opernfigur sehr facettenreich dar, den einfachen, unschuldigen Volksliedton traf sie dabei ebenso idiomatisch und sicher wie den Ausdruck größter innerer Qual und Zerrissenheit. Nach der Pause stand mit Strauss' "Heldenleben" dann ein Werk auf dem Programm, das am Ende des 19. Jahrhunderts nichts von der Zerrissenheit der Welt wahrhaben will. Es ist eine Autobiographie in Tönen.

Die Selbstverherrlichung freilich, die aus dieser Tondichtung spricht, wurde Strauss in der Vergangenheit häufig vorgeworfen. Gleichwohl enthält die Musik grandiose Passagen, zudem wunderschöne lyrische Stellen, ist aber vor allem ein virtuoses Glanzstück für jedes Orchester.

Anthony Bramall hielt die Fäden bei diesem Riesenwerk souverän in der Hand: Schwungvoll und leidenschaftlich das Es-Dur-Heldenthema, präzise die karikaturhaft überzeichnete Charakterisierung der "Widersacher" durch die Holzbläser. "Des Helden Gefährtin" wurde durch das Geigensolo von Konzertmeister Liviu Casleanu ebenso virtuos wie seelenvoll zum Leben erweckt.

Im Schlachtengetümmel des vom hochmotivierten Blech angeführten vierten Abschnitts "Des Helden Walstatt" gab sich das 110-Mann-Orchester gleichsam Schostakowitsch-gestählt. Nach den "Friedenswerken" (die Strauss mit Zitaten eigener Werke charakterisiert) folgte die Verklärung, die Bramall mit den Bonner Musikern klangschön, innig und seelenvoll gelang.

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