Großartiges Konzert in der Endenicher Harmonie So war das Konzert mit der Pianistin Younee

Bonn · Ein Parforceritt durch die Stile: Von Rachmaninow führt in ihrer Musik ein direkter Weg zu pulsierendem, hartem Rock.

 Jazz mit Ausflügen in die Klassik: Younee in der Harmonie.

Jazz mit Ausflügen in die Klassik: Younee in der Harmonie.

Foto: sca

Wir wissen nicht, wo Younee ihr Hotel hatte. Aber, als die koreanische Jazzpianistin von dort aus nach Endenich in die Harmonie fahren wollte, wurde ihr geraten, erst mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof und dann weiter mit dem Taxi zu fahren. „Ich wusste nicht, dass Bonn so groß ist“, sagt sie noch etwas außer Atem, setzt sich an den Flügel und improvisiert erst einmal über diese Odyssee. „Weltreise nach Harmonie“, nennt sie spontan das Stück, das schon alles beinhaltet, wofür Younee bekannt ist: Ein wunderbar komponiertes Amalgam aus Klassik, Jazz und Pop, erstklassige Technik, gepaart mit einen Gefühl für Momente und Entwicklungen, einer großen Emotionalität und einer Natürlichkeit, die sich die seit Jahren bei Würzburg lebende Musikerin bewahrt hat.

Von Rachmaninows romantischer Sonate Nr. 2 führt in „Speeding Instinkt“ ein direkter Weg zu pulsierendem, harten Rock. „Es ist wie auf der deutschen Autobahn ohne Tempolimit unterwegs zu sein“, schmunzelt sie und spielt gleich darauf eine zauberhafte, geradezu impressionistische Meditation über das Fahrradfahren. „Ausflug“ heißt es. Es ist ein reines Fantasieprodukt, denn Younee kann gar nicht Fahrradfahren, wie sie verrät.

Immer wieder horcht sie in die gut besuchte Harmonie hinein, lässt sich zu frei improvisierten Stücken anregen. „Dieses hat noch keinen Titel, aber viel Leidenschaft“, sagt sie. Das Publikum ist hingerissen, wünscht sich eine Improvisation über „Vollmond“ und wird mit einem langsamen, melancholischen Stück voller fahler Töne und einer schlafwandlerisch verträumten Melodie beglückt.

Dass sie von der Klassik herkommt, hört man unter anderem ihrer perfekten Technik an – und einzelnen Motiven. Dass sie für Beethoven schwärmt, verriet sie schon 2016, als sie im Rahmen des Beethovenfests in der Harmonie spielte. Jetzt legt sie mit „Fate Blues“ eine fulminante Improvisation über die ersten vier Töne der fünften Sinfonie hin. Das mag etwas abgedroschen klingen, Younee aber macht daraus ein funkelndes Juwel, lässt erahnen, was aus diesen begrenzten Möglichkeiten zu machen und zu entwickeln ist – und erlaubt sich immer wieder intensivere Ausflüge in Beethovens Fünfte.

Younee belässt es an diesem Abend nicht beim Pianospiel, das sie von der quasi aus der Luft gegriffenen Improvisation bis zur wütenden „Toccata and Blues in E minor“ perfekt beherrscht. Sie singt auch: wohl dosiert, mit einer sehr zarten und doch ungemein wandlungsfähigen Stimme. Die Mischung aus musikalisch anspruchsvollem Spiel und Sentiment stimmt. Am Ende aber schlägt das Pendel Richtung Gefühl aus: mit einem Weihnachtsmedley (Younee: „Bei Aldi gibt’s ja auch schon Weihnachtssachen“) und abschließend mit Felix Mendelssohn Bartholdys „Auf Flügeln des Gesangs“. Betörend interpretiert Younee Heinrich Heines Text. „Dort wollen wir niedersinken/ Unter dem Palmenbaum,/ Und Liebe und Ruhe trinken,/ Und träumen seligen Traum.“ Gute Nacht!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort