Carolin Kebekus im Pantheon Sie will niedlich sein

Bonn · Carolin Kebekus ist mit ihrem Programm „Alpha-Pussy“ in der Beethovenhalle aufgetreten. Sie bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück, verzichtet auf eine gut geführte Auseinandersetzung mit echten Problemen.

 Angst vor Helene Fischer: Carolin Kebekus in der Beethovenhalle.

Angst vor Helene Fischer: Carolin Kebekus in der Beethovenhalle.

Foto: Thomas Kölsch

Es ist schon bezeichnend, dass Videos mit Affen, die mit ihren eigenen Fäkalien werfen, mehr Aufmerksamkeit erhalten als eine Rede zur Lage der Nation. Hauptsache Unterhaltung, egal auf welchem Niveau. Genau diesen Aspekt hat Carolin Kebekus in ihrem neuen Programm „Alpha-Pussy“, mit dem sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen die Beethovenhalle bis auf den letzten Platz gefüllt hat, aufgegriffen – nur um dann paradoxerweise mit statt gegen den Strom zu schwimmen.

„Mein Gehirn ist verkümmert“, ruft die 35-Jährige, die hier stellvertretend für die gesamte Spaßgesellschaft steht, doch statt etwas dagegen zu unternehmen, stellt sie sich selbst in den Dienst dieses teuflischen Kreislaufs aus Medienmüll und Belanglosigkeiten. Denn obwohl sich die Komikerin zum Anti-Vorbild stilisiert, sie ihre Taten immer wieder hinterfragt, füttert sie ihre zahlreichen Anhänger doch nur mit Geschichten aus ihrer Jugend, mit Pups- und Saufwitzen, mit Bier, Sex und Rock 'n' Roll – und gibt auf diese Weise dem Affen Zucker.

Dem Publikum ist das allerdings herzlich egal. Es will ja gerade diesen Humor, will all das hören, was es selbst nur hinter vorgehaltener Hand erzählen würde. Dass Carolin Kebekus ihrem Publikum immer wieder auch einen Spiegel vorhält und stellvertretend zur Selbstreflexion aufruft, verhallt ungehört.

Schade, zumal die Komikerin in einigen wenigen Momenten auch ernste Töne anschlägt. Vor allem die auf Ablenkung getunte digitale Medienlandschaft nimmt sie sich zur Brust. Was sagt es denn über eine Gesellschaft aus, wenn ein Bombenanschlag in Mossul erst durch ein möglichst gewalttätiges Filmdokument interessant wird? „Das Leid der Welt auf 1:30 komprimiert, mit Hornbach-Werbung davor.“ Ein starker Kommentar. Nur leider eine Ausnahme.

Letztlich bleibt Carolin Kebekus hinter ihren Möglichkeiten zurück, verzichtet auf eine gut geführte Auseinandersetzung mit echten Problemen zugunsten der Vorlieben ihres Publikums. Also lästert sie über die Youtube-Stylingtipps 13-jähriger Beautyqueens und den peinlichen Glamour der IT-Girls, erinnert sich an Erbrochenes im Fliegengitter, bietet sich als Leihfurzmutter an oder fürchtet sich vor Helene Fischer, während der fehlende Strafrechtsparagraf zu sexueller Belästigung oder der „Gender Gap“ bei der Entlohnung von Frauen zu Randnotizen degradiert werden. Lieber Unterhaltung. Ablenkung. Und Ablenkung von der Ablenkung. Somit macht die Kölnerin sich zur Sklavin eben jenes Systems, das sie kritisiert. „Wir wollen nicht schwierig sein, lieber niedlich und unkompliziert“, sagt sie. Gerade Carolin Kebekus, die sonst so gerne mit provokanten Videos für Aufsehen sorgt, sollte deutlicher Position beziehen können. Auch wenn das mitunter schwierig ist.

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