Vor der Premiere Sie bereut nichts

Bonn · Die Mezzosopranistin Kathrin Leidig, die seit der Spielzeit 2010/2011 zum festen Ensemble der Bonner Oper gehört, über ihre Rolle der Zerlina in Mozarts „Don Giovanni“.

 „Reich mir die Hand, mein Leben“: Zerlina (Kathrin Leidig) mit Don Giovanni (Giorgos Kanaris).

„Reich mir die Hand, mein Leben“: Zerlina (Kathrin Leidig) mit Don Giovanni (Giorgos Kanaris).

Foto: Thilo Beu

Wie es denn in Darmstadt laufe, will Dietrich Hilsdorf von der Sängerin Kathrin Leidig wissen, als sie sich im Café-Restaurant „Bühne“ vis-à-vis des Bonner Opernhauses zufällig über den Weg laufen. In der hessischen Stadt nämlich spielen sie gerade „Così fan tutte“ in der tollen Inszenierung, die Hilsdorf im vergangenen Jahr für Bonn erarbeitet hatte. Und auch dort wieselt Kathrin Leidig wieder als Dorabella über die Bühne. Hilsdorf erfährt von ihr, dass auch Darmstädter seine „Così“ lieben.

Doch jetzt ist die Mezzosopranistin, die bereits in der siebten Saison am Bonner Haus zum festen Ensemble gehört, erst einmal in Gedanken bei einer anderen Oper von Wolfgang Amadeus Mozart: „Don Giovanni“. Am Sonntag singt sie in der Premiere die Zerlina.

Unter den drei Frauenpartien ist sie ein bisschen das Aschenputtel. Anders als Anna und Elvira kommt die lebenslustige und gewitzte junge Frau aus einfachsten Verhältnissen. Zerlina ist gerade im Begriff, den schlichten Bauern Masetto zu ehelichen, als sie dem Edelmann und Frauenhelden Don Giovanni in die Arme läuft. Sieht die junge Braut die Begegnung vielleicht als plötzliche Chance für einen sozialen Aufstieg? „Die Zerlina hat ganz viele Facetten“, sagt Kathrin Leidig. „Sie hat auf der einen Seite etwas Verspieltes, fast kindlich Naives, andererseits ist sie eine Frau, die die Anziehungskraft Giovannis deutlich erkennt.“

Sie fragt sich, wie es gefühlsmäßig um Zerlinas Beziehung zu Masetto bestellt ist. Liebt sie ihn wirklich, oder geht sie mit ihm eine Zweckehe ein, wie es im 18. Jahrhundert gang und gäbe war. Don Giovanni, ist Kathrin Leidig sich sicher, erweckt in Zerlina eine Sehnsucht. „Er spricht ein ganz anderes Gefühl von 'Frau sein' in ihr an, als sie es bisher gewöhnt war“, sagt sie. Wer weiß, wie sich die Sache mit Don Giovanni und Zerlina weiterentwickelt hätte, wenn nicht Donna Elvira dazwischengegangen wäre. Wenn Zerlina später wieder zu ihrem – von Don Giovanni zwischenzeitlich übel zugerichteten – Verlobten zurückkehrt und ihm die physischen und seelischen Wunden salbt, scheint zwischen dem Paar wieder alles im Gleichgewicht zu sein. „Aber ich bin mir gar nicht so sicher, ob sie es wirklich bereut hat“, urteilt Kathrin Leidig über den heftigen Flirt der jungen Frau. Und deutet an: eher nicht. „Sie weiß ja, dass ihr Leben von nun an sehr geordnet und geradlinig verlaufen wird.“

Mit Mozarts Figur Zerlina verbindet Kathrin Leidig, auf dem Land aufgewachsen zu sein. Sie kommt aus Balingen, das etwa 80 Kilometer in südlicher Richtung von Stuttgart liegt und hat auch in ihrer schwäbischen Heimat studiert, an der Musikhochschule Trossingen, wo sie 2007 mit dem ersten Preis der Iris-Marquardt-Stiftung ausgezeichnet wurde.

Ihre erste feste Anstellung fand sie 2010 in Bonn, wo sie mittlerweile in Endenich wohnt. Als Mutter zweier noch kleiner Kinder und wegen ihrer vielen Abendverpflichtungen kann sie das vielfältige kulturelle Angebot der Stadtteil-Szene zwar nicht so nutzen, aber die Atmosphäre gefällt ihr. „Es ist alles sehr kompakt und übersichtlich hier.“

In den Jahren, so hat sie festgestellt, habe sie immer mehr gelernt, sich auf der Bühne frei zu bewegen und zu singen. „Ich habe bis heute sehr viel Spaß, eigentlich bei jeder Rolle.“ Zum Beispiel als Hänsel in Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“, auch das Gretchen in Albert Lortzings „Wildschütz“ fand sie als Rolle sehr spannend, ebenso die Rosina in Gioachino Rossinis „Barbier“.

Die Mozart-Partien aber mag sie ganz besonders gern. „Gesanglich passt das einfach sehr gut zu meinem lyrischen Fach. Und die Rollen haben einen Witz und immer eine unterschwellige Raffinesse.“ Nur einmal musste sie bei Mozart passen. In Philipp Himmelmanns Bonner Inszenierung von „La finta giardiniera“. Da hätte sie in einem hochgeklappten Labyrinth herumturnen müssen. „Aber ich war damals schwanger und wollte ungesichert nicht klettern.“ Eine sehr nachvollziehbare Begründung.

Premiere am Sonntag, 18 Uhr, im Bonner Opernhaus. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen

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