Schätze der Sammlung des Beethoven-Hauses Sicherer Hafen für die Handschriften

Bonn · Furiose Striche, wilde Radierungen, ein unruhiges, den temperamentvollen Geist verratendes Schriftbild - all dies spiegelt die Leidenschaft, mit der Ludwig van Beethoven über seinen Kompositionen brütete. Nur wenige Handschriften berühmter Komponisten besitzen solch eine immense Ausdruckskraft wie die des gebürtigen Bonners.

 Blick in den Tresorraum (links). Die Skulpturen lagern in einem Nebenraum.

Blick in den Tresorraum (links). Die Skulpturen lagern in einem Nebenraum.

Foto: Beethoven-Haus/Lindner

"Eine Beethoven-Handschrift kann auch jemand studieren, der keine Noten lesen kann", sagt Michael Ladenburger. Seit mehr als zwanzig Jahren ist er als Kustos verantwortlich für die Sammlungen des Hauses.

Einen lebendigen Eindruck der Handschriften vermittelt etwa die aktuelle Ausstellung "Beethovens Klaviersonaten", wo unter anderem das Autograph seiner "Waldstein-Sonate" zu sehen ist, für die Beethoven einige revolutionäre Spieltechniken fürs Klavier erfand. Die Ausstellung kann man allerdings nur noch bis zum 9. Dezember besuchen.

Anschließend werden die Handschriften wieder in den Tresorraum unter dem Kammermusiksaal gebracht. Dort lagern sie hinter einen schweren Metalltür, die sie vor Diebstahl ebenso sicher schützt wie vor möglichen Bränden. Bei 19,5 Grad Celsius und perfekt regulierter Luftfeuchtigkeit werden die wertvollen Handschriften hier auch die kommenden Jahrhunderte überleben.

Allerdings nur, wenn man extreme Sorgfalt walten lässt. "Jedes Mal, wenn die Handschriften aus dieser Umgebung herausgeholt werden, bekommen sie einen Klimaschock", erläutert Ladenburger. Zutritt zu dem Tresorraum haben deshalb nur sehr wenige Besucher. Zuletzt etwa Bundespräsident Joachim Gauck während seines Bonn-Besuchs am 20. August.

Wie jedem der seltenen Gäste bot sich ihm ein vordergründig unspektakulärer Anblick. Ein paar aus hellem Holz gefertigte Regale und ein Tisch bilden das Mobiliar des Tresorraums. Hier lagern Notenhandschriften, Briefe und viele weitere wertvolle Dokumente. Unter anderem die erst vor drei Jahren erworbene Handschrift der Diabelli-Variationen oder die Handschrift der sechsten Sinfonie ("Pastorale") und der sogenannten "Mondschein-Sonate".

Aber auch jene Geige aus dem Besitz Beethovens liegt hier, die erst seit 1996 im Besitz des Beethoven-Hauses ist. Sie wurde Michael Ladenburger damals von einer Frau mit Namen Gerda Taussig angeboten. Sie hatte 1938 ihre Geburtsstadt Wien wegen des Anschlusses Österreichs durch die Nationalsozialisten verlassen müssen und war 1946 schließlich nach New York gelangt. Die Geige hatte sie Anfang der 90er Jahre von ihrer Tante geerbt.

Die Ahnung, dieses Instrument könne aus Beethovens Besitz stammen, veranlasste sie, sich an das Beethoven-Haus in Bonn zu wenden. Im Herbst 1995 reiste Ladenburger nach New York, um die Geige in Augenschein zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit habe ihm die alte Dame die Geige spontan in die Hand gedrückt, erinnert sich Ladenburger. Später überließ sie das Instrument dem Haus zu einem eher symbolischen Preis. Solche Geschichten sind für Ladenburger ein Zeichen für das große Vertrauen, dass man dem Beethoven-Haus weltweit entgegenbringt.

Wie das Instrument klingt, verrät eine von dem Geiger Daniel Sepec und dem Pianisten Andreas Staier eingespielte CD, die im Shop des Beethoven-Hauses erhältlich ist. Zweck des Tresorraums sei es nicht, die wertvolle Sammlung vor der Öffentlichkeit wegzuschließen, sondern sie zu bewahren, sagt Ladenburger. Man müsse der konservatorischen Notwendigkeit ebenso Rechnung tragen wie der weltweiten Verbreitung, sagt Ladenburger.

Letzteres geschieht nicht nur mit Hilfe von Faksimile-Drucken ausgewählter Autographe wie der Diabelli-Variationen, sondern vor allem über das Internet. Die Handschriften sind in einem aufwendigen Texturmodus gescannt. Die extrem hochauflösenden digitalen Abbildungen erlauben eine realistische Darstellung der Originale, die selbst Details der Papierstruktur so genau wiedergibt, dass für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Handschriften nicht mehr zwingend physisch vorliegen müssen, erläutert Ladenburger.

Das Bonner Modell habe längst Schule gemacht. Mittlerweile bietet etwa auch die Juilliard School in New York, wo sich ebenfalls wertvolle Beethoven-Handschriften befinden, diesen Service für interessierte Laien, Musiker und Wissenschaftler an.

Bevor Beethovens Handschriften 1989 in das von dem Kölner Architekten Thomas van den Valentyn entworfene Gebäude in der Bonngasse zogen, wurden sie in der sogenannten "Silberkammer" der Deutschen Bank am Kaiserplatz aufbewahrt. "Wir mussten, um wirklich arbeiten zu können, auf die Originale zugreifen und sind dann bei Wind und Wetter mit den Originalen durch die Stadt gestapft", erzählt Ladenburger. Die Zeiten sind seit 1989 endgültig vorbei. Was nicht nur für Michael Ladenburger etwas sehr Beruhigendes hat.

Der Tresorraum

Der Tresorraum des Beethoven-Hauses befindet sich unter der Bühne des Kammermusiksaals. Das Ensemble in der Bonngasse wurde von dem Kölner Architekten Thomas van den Valentyn entworfen und am 24. Februar 1989 eröffnet. Die Handschriften-Sammlung ist elektronisch erschlossen und im Digitalen Archiv in hochauflösenden Kopien zugänglich.

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