Selten aufgeführte Oper feiert in Bonn Premiere

Klaus Weise inszeniert Franz Schrekers "Irrelohe" an der Bonner Oper. Das Werk ist auf dem Plattenmarkt mit keiner Aufnahme präsent. Auch die Bühnen tun sich schwer mit "Irrelohe". Zuletzt war die Oper vor sechs Jahren in Wien zu erleben, in Deutschland ist es gar 25 Jahre her.

 Roman Sadnik (Heinrich) und Ingeborg Greiner (Eva) in "Irrelohe".

Roman Sadnik (Heinrich) und Ingeborg Greiner (Eva) in "Irrelohe".

Foto: Thila Beu

Bonn. Junge Frauen kurz vor der Eheschließung müssen auf die Grafen des feudalen Zeitalters eine große Anziehungskraft ausgeübt haben. Mozart hat mit dem "Figaro" eine ganze Oper darüber geschrieben, fast anderthalb Jahrhunderte später tat es ihm Franz Schreker (1878-1934) mit seinem Bühnenwerk "Irrelohe" gleich. Nur ist dies keine Komödie, sondern ein Bühnenstück schwärzester Schauerromantik, es geht nicht um subtile Erotik, sondern um triebhafte Gewalt.

Uraufgeführt wurde Schrekers Oper 1924 in Köln. Bonns Theaterintendant Klaus Weise schätzt die musikdramatischen Bühnenwerke jener Zeit in besonderem Maße, eine Wertschätzung, die er mit Generalmusikdirektor Stefan Blunier teilt. In den vergangenen Jahren hat Weise bereits Hindemiths "Cardillac" und Johann Wolfgang Korngolds "Die tote Stadt" inszeniert, jetzt also "Irrelohe".

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopViele Aspekte interessieren ihn speziell an diesem Werk: Schuld und Sühne, das kollektive Schweigen über die Vergangenheit. Weise findet es spannend zu beobachten, wie die Gesellschaft versucht, sich "des Verbrechens zu entledigen, sich davon reinzuwaschen. Da entlädt sich etwas, das nie wirklich aufgearbeitet wurde". Was der Geschichte sogar eine sehr politische Dimension verleiht. "Die Weimarer Republik ist hier immer gegenwärtig", sagt Weise in einem Gespräch vor der am kommenden Sonntag stattfindenden Premiere.

Das "Verbrechen", auf das Weise anspielt, wuchert in Schrekers Oper wie ein Geschwür: In einem Dorf in der Nähe des Schlosses "Irrelohe" lebt die einst wunderschöne Schankwirtin Lola, die 30 Jahre zuvor von dem Schlossherrn brutal vergewaltigt wurde. Lola wurde schwanger und brachte neun Monate später ihren Sohn Peter zur Welt.

Das Geschehen hat aber nicht nur Lola schwer traumatisiert, sondern auch ihren damaligen Geliebten Christobald, der seither jedes Jahr an einer anderen Stelle des Ortes ein Feuer legt. Zum 30. Jahrestag des Geschehens will er Schloss Irrelohe brennen sehen, um bei der schweigenden Mehrheit die Erinnerung an das Verbrechen wach zu halten.

Doch das Verbrechen führt auch zu Verwerfungen in der jüngeren Generation. Denn der Graf ist nicht nur der Vater Peters, sondern er hat auch noch einen legalen Sohn mit Namen Heinrich. Beide sind - als wär's ein Heimatfilm der fünfziger Jahre - in Eva, die Försterstochter, verliebt...

"Irrelohe" ist nach Ansicht von Klaus Weise eine echte Entdeckung und ihre glutvoll expressive Musik wert, auf CD festgehalten zu werden.

Wie im Falle der gerade auf dem CD-Markt erschienenen Bonner Produktion von Eugen D'Alberts Opernrarität "Der Golem" wird die Plattenfirma "Dabringhaus und Grimm" auch jetzt wieder ihre Mikrophone im Opernhaus aufstellen.

Derzeit ist Schrekers Oper auf dem Plattenmarkt mit keiner Aufnahme präsent. Und auch die Opernbühnen tun sich schwer mit "Irrelohe". Zuletzt war das Werk vor sechs Jahren in Wien zu erleben, in Deutschland ist es gar 25 Jahre her. Immerhin zählten Schrekers Opern einmal zu den meistgespielten im deutschsprachigen Raum, die Aufführungszahlen übertrafen in den 20er Jahren sogar diejenigen der Bühnenwerke eines Richard Strauss. Ihre bildkräftige, ja wuchtige Unmittelbarkeit dürfte da eine wichtige Rolle gespielt haben.

"Die Musik ist sehr direkt in ihrer Erzählfunktion", sagt die neue Bonner Operndramaturgin Janine Ortiz, deren Buch über "Irrelohe" zum Türöffner für den Job wurde.

Schrekers Musik erging es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wie derjenigen vieler anderer Komponisten jüdischer Herkunft: Sie war gründlich vergessen. Ihre überwältigenden, rauschhaften Züge waren in der kühlen, rationalistischen Atmosphäre der Nachkriegs-Avantgarde nicht gefragt.

Premiere am Sonntag, 7. November, 18 Uhr, im Opernhaus; Einführung mit Janine Ortiz um 17.30 Uhr. Mit Roman Sadnik (Heinrich), Ingeborg Greiner (Eva), Daniela Denschlag (Lola), Mark Morouse (Peter) Mark Rosenthal (Christobald) u.a., Beethoven Orchester, Dir.: Stefan Blunier.

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