Alvin Ailey American Dance Theater Sehne und Sehnsucht

KÖLN · Es ist heiß. So verdammt heiß. Der Atem geht schnell. Und noch schneller. Der Puls schlägt höher. Und noch höher. Dazu das Pochen der Trommeln. Das sich parallel dazu beständig steigert. Von der Ahnung zur Verlockung. Von der Verlockung zur Forderung.

 Szene der neuen Produktion mit den Tänzern Linda Celeste Sims und und Jamar Roberts.

Szene der neuen Produktion mit den Tänzern Linda Celeste Sims und und Jamar Roberts.

Foto: Paul Kolnik

Von der Forderung zur Erfüllung. Sie fliegen aufeinander zu. Sie umklammern einander. Stoßen einander ab. Finden sich wieder - und halten jäh inne. Gespannt bis in die tiefste Faser. Alles ist Sehne und Sehnsucht. Die Zeit steht still. Jetzt und hier. In diesem Moment. Ein Brustkorb nach hinten gewölbt bis fast zum Zerreißen. Zwei Frauenarme ausgebreitet wie Vogelschwingen. Ein stolzes Kinn, das sich hernieder neigt zum tiefen, innigen Kuss.

Wer das am Dienstagabend in der Kölner Philharmonie erleben durfte, dem war klar: Hier wird etwas geboren. Ein strahlendes, überragendes neues Tanzstück, ersonnen von der gefeierten Choreografin Aszure Barton. Es ist ihre erste Arbeit für das renommierte Alvin Ailey American Dance Theater, das seit dem 15. Juli im Rahmen des "27. Kölner Sommerfestivals" in der Philharmonie gastiert.

Der Wechsel von Programm A - mit den Choreografien "Grace" (1999), "Home" (2011), "In/Side" (2008) und "Revelations" (1960) - zu Programm B (noch bis Sonntag, 27. Juli, zu sehen), wird gekrönt von Bartons "Lift", dem jüngsten Stück im Kanon der US-Ausnahmetänzer. Erstmals aufgeführt wurde es 2013. Mit seiner Darbietung in Köln am Dienstag feierte es Europapremiere. Barton stammt aus Kanada, lebt aber in New York.

Die Gründerin von "Aszure Barton & Artists", einem Kollektiv visueller, akustischer und darstellender Künstler, arbeitete schon für Michael Baryshnikov, das Nederlands Dans Theater oder die Sydney Dance Company. Und viele andere nicht minder bedeutsame Auftraggeber. "Lift" entstand in einer fünfwöchigen, intensiven Entwicklungsphase gemeinsam mit denen, die es am Ende auf der Bühne umsetzen: den Alvin Ailey-Tänzerinnen und Tänzern.

Auch der elektrisierende Percussion-Soundtrack von Curtis Macdonald, der extra für "Lift" komponiert wurde, ist inspiriert von der Kraft, der Ausdrucksstärke und der immensen körperlichen Ausstrahlung des Ensembles. Hier geht es um das, was Menschen antreibt. Was sie stark macht und ihnen, im wahrsten Sinne des Wortes, Flügel verleiht. Schon das erste Programm begeisterte. Das hier ist, von der dramaturgischen Steigerung her, noch besser.

Auf Paul Taylors verspielt-höfisches "Arden Court" (1981) folgt "Takademe" (1999), Robert Battles dynamische Solo-Nummer für einen Tänzer. Mit "D-Man In The Waters (Part I)" entführt Bill T. Jones in die flirrende Welt unter Wasser. Auf "Lift" kann nichts mehr folgen. Das setzt neue Maßstäbe. Insgesamt 68 elektrisierende Minuten auf der Bühne (mit zweimal 20 Minuten Pause). Unbedingt hingehen!

Alvin Ailey American Dance Theater, Programm B, bis Sonntag, 27. Juli, im Rahmen des "27. Kölner Sommerfestivals", Philharmonie, Bischofsgartenstraße 1, Tel. 0221 280280. Die nächsten Vorstellungen: Do. und Fr. 20 Uhr, Sa. 14 und 20 Uhr, So. 14 Uhr. Mehr Infos: www.koelnersommerfestival.de

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