"American Recordings I-VI" von Johnny Cash Sechs Alben für die Ewigkeit

Bonn · Die soeben erschienene Box "American Recordings I-VI" (Universal) ist eine Hommage in Vinyl an den späten Johnny Cash. Das analoge Format passt perfekt zu diesem Giganten, der die Traditionen des Country-Genres gepflegt und sich zum Schluss neu erfunden hat.

 Er glaubte an die Wiederauferstehung: Johnny Cash während einer Aufnahmepause. FOTO: UNIVERSAL

Er glaubte an die Wiederauferstehung: Johnny Cash während einer Aufnahmepause. FOTO: UNIVERSAL

Johnny Cash durfte man sich zum Ende als einen mutigen Mann vorstellen. Der Tod schreckte ihn nicht. Cash, der im September 2003 starb, war ein gläubiger Mann. 2010 ist ein Album mit den allerletzten Aufnahmen erschienen: "American VI: Ain't No Grave". Von einigen Kritikern wurde das Werk aufgenommen, als sei der Meister von den Toten auferstanden. Das konnte nicht einmal er. Über den großen John R. Cash bemerkte Bob Dylan einmal: "Johnny war und ist der Polarstern, du konntest deinen Kurs nach ihm ausrichten."

"Ain't No Grave" dauert gerade einmal 32 Minuten, zehn Songs sind auf der Platte, darunter "For The Good Times", "Satisfied Mind" und "Aloha Oe". An die großen Alben der legendären "American Recordings" reicht der sechste und letzte Teil der Reihe nicht heran. Aber es ist ein bewegendes Dokument, das Cash hinterlassen hat.

Zeitweilig erfolgreicher als Elvis oder die Beatles

Mit rauer, schwacher, gleichzeitig zuversichtlicher Stimme singt er den Titelsong: "There ain't no grave / Can hold my body down." Er wird von den Toten auferstehen, ist sich der Sänger sicher. Allerdings erst am Tag des Jüngsten Gerichts.

Mit Hits wie "Ring Of Fire" (1963) und "A Boy Named Sue" (1969) war Cash zeitweilig erfolgreicher als Elvis oder die Beatles gewesen. Aber Anfang der neunziger Jahre wollte keiner mehr etwas von dem Amphetamin-Wrack wissen. Es gab das Gerücht, dass seine neuen Einspielungen zu diesem Zeitpunkt nur noch in Auflagen von 500 Exemplaren auf den Markt gebracht wurden.

1994 war das Jahr der Wiederkehr, fast kann man sagen: Wiedergeburt für den inzwischen drogenfreien Sänger. Zusammen mit dem genialischen Produzenten Rick Rubin veröffentlichte er bis 2010 die "American Recordings". Es waren sechs Alben für die Ewigkeit. Mit knurriger Cowboy-Derbheit und Nashville-Nostalgie hatte das nichts mehr zu schaffen. Da hielt ein zuletzt schwer kranker Mann bis zum Ende mit minimalistisch arrangierten, profunden Songs den Tod in Schach.

Gaststars wie Nick Cave, John Frusciante und Flea (von den Red Hot Chili Peppers), Tom Petty und Don Henley durften dabei an der Seite des bewunderten Kollegen mitarbeiten - eine Ehrbezeugung und Beweis für die Einzigartigkeit Cashs.

Die Coverfotos sprechen für sich. Auf "American Recordings" posiert Cash als finsterer Wanderprediger, Robert Mitchums zwielichtiger Figur in "Night Of The Hunter" beängstigend nahe. "Unchained" zeigt den Sänger mit seinem Gitarrenkoffer entspannt vor einer Scheune sitzend, während "Solitary Man" die Einsamkeit der Musikers kurz vor einem Auftritt abbildet. Auf "Ain't No Grave" 2010 lächelt ein ganz junger Cash den Betrachter an.

Humor, Verzweiflung und Erlösungshoffnung

Die soeben erschienene Box "American Recordings I-VI" (Universal) ist eine Hommage in Vinyl an den späten Johnny Cash. Das analoge Format passt perfekt zu diesem Giganten, der die Traditionen des Country-Genres gepflegt und sich zum Schluss neu erfunden hat. Die Vorliebe des "Man in Black" für dunkle Textilien spiegeln die runden, pechschwarzen Platten auf vollkommene Weise. Die Box hätte ihm gefallen.

Wer sich erstmals oder erneut in das Universum der "American Recordings" begibt, wird überwältigt vom Pathos der letzten Dinge, von Humor, Verzweiflung und Erlösungshoffnung. Manche der Songs wie "Spiritual" und "Help Me" ("Oh, Lord, help me walk / Another mile, just one more mile; / I'm tired of walkin' all alone") sind gesungene Gebete. Wollen wir hoffen, dass sie erhört worden sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Aus dem Ressort