"Grupo Corpo" in der Oper Bonn Schwerstarbeit für die Schwerelosigkeit

Bonn · Der Name "Grupo Corpo" sei Programm, weil der Körper bei ihr im Mittelpunkt stehe, heißt es in der Ankündigung zum Bonner Gastspiel dieser brasilianischen Tanzcompany. Na, was denn sonst, wenn es um Tanz geht?, könnte man etwas ketzerisch entgegnen.

 Getanzte Liebeslyrik: Die Company Grupo Corpo in einer Szene aus "Sem Mim".

Getanzte Liebeslyrik: Die Company Grupo Corpo in einer Szene aus "Sem Mim".

Foto: José Luiz Pederneiras

Doch wenn man das 21-köpfige Ensemble auf der Bühne sieht, ergibt die scheinbare Binsenweisheit einen ganz eigenen Sinn. In zwei Choreografien von Ensemble-Gründer Rodrigo Pederneiras treten die Tänzer kaum einmal als Individuen in Erscheinung, wirken vielmehr wie ein ins sich geschlossener Organismus, ein Körper, dessen rhythmisierte Bewegungen den Raum beherrschen.

Ganz in schwarz gekleidet (Kostüme: Freusa Zechmeister) bevölkern die Tänzer im ersten Stück "O Corpo" die von Paulo Pederneiras, dem Bruder des Choreografen und künstlerischen Leiter von Grupo Corpo, entworfene Bühne. Vor rot blinkenden Lichtpunkten fallen sie vom Stand in die Hocke, rollen auf dem rund gebogenen Rücken nach hinten, schaukeln wieder nach vorn, schnellen in die Höhe und wechseln in andere Bewegungsmuster, die den über weite Strecken gleichen, langsam groovenden Rhythmus von Arnaldo Antunes' elektronischen Klängen immer neue visuelle Gestalt verleihen.

Ihre Körper wirken dabei locker, als wäre kein Muskel wirklich angespannt. Dabei ist das, was sie auf der Bühne leisten, Schwerstarbeit. Die Beine fliegen in die Höhe, die Köpfe in den Nacken, sie springen aus der Hocke in die Höhe, beugen sich, krümmen sich, um gleich wieder in locker gestreckter Haltung loszumarschieren. Und immer findet der Puls der Musik sein Echo in den Körpern. Licht, Klang und die Tanzbewegungen erzeugen so eine beinahe narkotische Wirkung, der man sich kaum entziehen kann.

In dieser bereits 13 Jahre alten Choreografie manifestiert sich der Stil von Grupo Corpo unverkennbar. Der poetischen Variante begegnet man in der noch jungen, vor zwei Jahren in São Paulo uraufgeführten Arbeit "Sem Mim", die jetzt bei den Highlights des Internationalen Tanzes überhaupt zum ersten Mal in Deutschland zu sehen war. Es geht diesmal um die Liebe, wie sie in einer galizisch-portugiesischen Liedsammlung aus dem 13. Jahrhundert beschrieben wird. Musikalisch in die Neuzeit übertragen wurden sie von Carlos Nuñes und José Miguel Wisnik.

Zu den Gesängen tanzt die Compagnie in Kostümen, die wie eine zweite, bunt tätowierte Haut wirken, unter einem netzartigen, metallisch schimmernden Baldachin, der sich zu Beginn langsam hebt und dann während des Stückes einmal zu einem wunderschönen Pas de deux wieder niederschwebt. Scheinbar anstrengungslos hebt der Tänzer seine Partnerin in dieser stark vom klassischen Ballett geprägten Szene durch die Luft, lässt sie über seinem muskulösen Körper kreisen, als wäre die Schwerkraft aufgehoben. Die Eleganz, mit der die beiden ihre Bewegungen ausführen, ist atemberaubend. Sie zelebrieren den anrührendsten Moment dieser Choreografie.

Insgesamt geht es Pederneiras jedoch nicht darum, Paare zusammen zu bringen. Meist tanzen Männer und Frauen in getrennten Sequenzen, in denen Gefühlszustände wie Sehnsucht und Trauer zum Ausdruck kommen. Die Tänzer setzen das mit ihren fließenden, fantasievollen Bewegungen ganz wunderbar um. Und wenn man ihnen eine Weile zugeschaut hat, fühlt man, dass auch "Sem Mim" wie ein Narkotikum wirkt. Die Bonner Tanzfans im fast ausverkauften Opernhaus waren begeistert, was viele von ihnen stehend zum Ausdruck brachten.

Nächstes Gastspiel der Reihe "Highlights des Internationalen Tanzes" am 30. April. Das Nederlands Dans Theater 2 zeigt vier Choreografien. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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