Justin Bieber in Köln Schweiß und Tränen

Köln · Justin Biebers Konzert in der Kölner Lanxess-Arena spiegelt sein Leben im Zeitraffer. Raffinierte Bühnenkonstruktionen werden so bespielt, als seien sie die Stationen eines Fitness-Parcours.

 Höhen und Tiefen eines Popstars: Justin Bieber lieferte in Köln eine perfekte Show ab.

Höhen und Tiefen eines Popstars: Justin Bieber lieferte in Köln eine perfekte Show ab.

Foto: Thomas Brill

Nach 94 Minuten steht er mutterseelenallein auf der Bühne. Von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet. Sehr aufrecht, sehr starr, sehr still. Kein Muskel, der sich regt, kein Hauch von Mimik im maskenhaften Gesicht. Er wirkt wie eingefroren in diesem Moment. In der Haltung eines Soldaten, der seine Pflicht getan hat, nimmt er die Huldigungen von 16.000 Fans entgegen. Schreie, Kreischer und geschluchzte Liebeserklärungen umwogen ihn wie das Meer. Andere würden darin untergehen. Justin Bieber (22) hält stand. Scheinbar. Denn kurz danach sieht man ihn auf dem Bühnenboden hockend, sich immer wieder mit dem Ärmel über die Augen wischend, sein Innerstes preisgebend: „Manchmal ist es hart, ständig allein zu reisen und niemals zu Hause zu sein.“ Ist das nun echt? Oder bloß Teil der Show? Bei „Purpose“, dem Titelstück seines letzten Albums, ist der Kanadier schon mehrfach in Tränen ausgebrochen. Und genau dieser Titel, bei dem es um einen geht, der alles gegeben hat, aber nun nicht mehr weiterkann, folgt. Es ist der letzte vor der Zugabe. Auch das bedeutet einen Schlusspunkt.

Man kann die perfekte Show, die Bieber Sonntagabend in der Kölner Lanxess-Arena abspult, allzu leicht verdammen. Angesichts eines jungen Mannes, der all das tut, was man von ihm erwartet: seine neue Scheibe zu bewerben (15 von 20 Songs auf der Setlist stammen daraus), raffinierte Bühnenkonstruktionen so zu bespielen, als seien sie die Stationen eines Fitness-Parcours, Mädchen so zu bespaßen, dass sie kurz vorm Hyperventilieren sind. Man kann das Ganze aber auch als Programmmusik begreifen. Wobei das Wort Musik hier leicht in die Irre führt. Denn allzu oft ist das Mikro nicht da, wo er singen sollte, aber trotzdem singt einer. Und das „Orchester“, also die Band, ist zur Randerscheinung im wahrsten Sinne des Wortes degradiert – die Musiker sind ins Dunkel, rechts und links auf der obersten Bühnenebene, verbannt worden. Programmmusik insofern, als dass die „Purpose World Tour“ das Leben des Justin Bieber spiegelt. Quasi im Zeitraffer, über rund 100 Minuten hinweg.

Erzählt wird von den Höhen und Tiefen eines Popstars (leitmotivisch wiederholt sich das Auf-Podesten-Stehen und das In-der-Versenkung-Verschwinden), von dessen Status als Exot in Gefangenschaft (Bieber im Glaskubus, der an ein Terrarium erinnert, Bieber im Käfig-Rondell) und von dessen Kunstfertigkeiten, die vorgeführt werden müssen. Drei Minuten lang spielt Bieber, wieder auf einem Podest, Schlagzeug, zu „Love yourself“ zupft er die Gitarre und zeigt, wie es klingt, wenn er tatsächlich singt. Und Salti schlagen, hoch auf einem Riesentrampolin in den Lüften, kann er auch. Vielleicht hat Bieber ja auch gar nicht geweint. Sondern sich bloß den Schweiß aus dem Gesicht gewischt. Und das in der Arena war auch gar keine Programmmusik. Sondern bloß ein Konzert. Dann aber kein besonders gutes.

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