Schöne neue Kommunikationswelt

Unvergessen als die Bonner "Piaf": Susanne Tremper kehrt ans Schauspiel Bonn zurück - In der Revue "Call My Number" ist sie als erfolgreiche Immobilienhändlerin und als portugiesische Putzfrau zu sehen

Schöne neue Kommunikationswelt
Foto: Beu

Bonn. Bei der letzten Sonntags-Matinee in den Kammerspielen hat Susanne Tremper zusammen mit Verena Bukal und Jennifer Julia Caron schon mal ganz spontan eine kleine musikalische Kostprobe gegeben von dem, woran sie mit etlichen Ensemble-Mitgliedern des Theaters Bonn gerade probt: die Uraufführung der Revue "Call My Number", konzipiert und inszeniert von Nikolaus Büchel.

Mit ihm hat sie in den 80er Jahren mehrfach gemeinsam auf der Bühne gestanden, als sie noch zu Peter Eschbergs Bonner Schauspiel-Ensemble gehörte.

Mit Büchel als Regisseur hat sie damals auch die erste Dramatisierung von Christa Wolfs "Kassandra" erarbeitet.

Bei mehreren umstrittenen Uraufführungen von der längst in den modernen Klassikerhimmel erhobenen Elfriede Jelinek war sie mit Leib und Seele dabei und hat auch in vielen klassischen Rollen geglänzt.

Den meisten Bonner Zuschauern unvergesslich ist sie wohl als "Piaf" in dem gleichnamigen Stück von Pam Gems. Als "Marlene" (ebenfalls von Pam Gems) feierte sie in diesem Jahr im Bonner Contra-Kreis Theater Triumphe.

"Die Telefonrechnungen der Dietrich sind ja auch legendär", amüsiert sich Susanne Tremper und schiebt rasch noch ein Aperçu aus ihrem Bonner Theaterleben hinterher: In "Der Karakal", Judith Herzbergs verzweifelten Monologen am Telefon, stand sie 1994 zuletzt als Gast auf der Bühne des Bonner Schauspiels. "Na, von da führt ja fast ein direkter Weg zu unserer neuen Revue ums Telefonieren und scheinbare Kommunizieren."

Ihr eigener Weg als freie Schauspielerin hat sie in der Zwischenzeit an viele große Bühnen geführt, auch wenn sie ihre Wohnung im Bonner Stadtzentrum immer behalten hat und ihr Regiedebüt 1990 mit Peter Shaffers "Lotte und Laura" am Kleinen Theater Bad Godesberg gegeben hat.

In München, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Berlin und Wien war sie engagiert und hat mit fast allen Regiestars zusammengearbeitet. Inzwischen unterrichtet sie selbst an der Frankfurter Hochschule für darstellende Kunst. Am Burgtheater hat sie 1996/97 unter der Intendanz von Claus Peymann in Brechts "Dreigroschenoper" gleich zwei Rollen gespielt, Lucy und Mrs. Peachum.

Als Brecht-Sängerin hat sie sich ohnehin einen Namen gemacht und ist auch auf mehreren CDs zu hören, zum Beispiel auf einer Decca-Einspielung von 1988 zusammen mit Milva, Ute Lemper, Mario Adorf und René Kollo.

Das Singen liegt ihr seit Kinderzeiten im Blut. Beim Rias-Kinderchor in Berlin begann ihre steile musikalische Karriere mit Soundtracks und Platten zu Walt-Disney-Filmen. Mit 15 hat sie die Schule geschmissen und gleich nach dem ersten Vorsprechen einen der begehrten Studienplätze am Max-Reinhardt-Seminar bekommen und außerdem eine gründliche Gesangsausbildung an der Berliner Hochschule für Musik gemacht.

Das Geld fürs Studium hat sie sich als Folk-Sängerin verdient. Gemeinsam mit vielen später berühmt gewordenen Sängern hat sie damals in Berlin den ersten Folk-Club gegründet und ist oft an einem Abend auf drei verschiedenen Kleinkunstbühnen aufgetreten.

Gleich nach dem Studium holte der Regisseur Hans Hollmann sie an die staatlichen Berliner Schauspielbühnen. Für ihre Luise in Schillers "Kabale und Liebe" in Hollmanns Regie am Schillertheater erhielt sie schon in ihrem ersten Theaterjahr den Berliner Kritikerpreis.

Mitte der 70er Jahre gehörte sie zu den Protagonistinnen des Basler Theaters, wo sie auch zum ersten Mal die Lucy in der "Dreigroschenoper" sang. Nach Abstechern zum Fernsehen als Partnerin von Dieter Hildebrandt in der Serie "Scheibenwischer" und zum Kabarett bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft ging sie ans Schauspiel Bonn.

Für ihre legendäre Darstellung der Piaf bekam sie die Offenbach-Medaille. Sie selbst erinnert sich besonders gern an ihre weibliche Hauptrolle bei der Uraufführung von Rainald Goetz'' "Krieg", gerade weil der wüste "Stampfen"-Monolog, den sie grandios sprach, zum Schwierigsten gehört, was sie je einstudiert hat.

Goetz hatte sich den sogar ausdrücklich statt einer Laudatio gewünscht, als er in Köln den Heinrich-Böll-Preis erhielt. Das ist dann an Trempers vielen Bühnenverpflichtungen gescheitert. "Ich habe damals aber zum ersten Mal richtig über den Begriff der Ehre nachgedacht", sagt sie, die selbst mit vielen Preisen ausgezeichnet und mehrfach zur Schauspielerin des Jahres nominiert wurde.

"Bin ich eigentlich ehrgeizig oder eitel? Sicher ein bisschen, und schöne, verrückte Kostüme - die von Vivienne Westwood bei der Wiener ,Dreigroschenoper'' waren toll! - liebe ich über alles. Bei Marlene war es eine ungeheure Herausforderung, sich in die Welt einer Diva zu versetzen und trotzdem die Distanz zu bewahren. Aber wahrscheinlich ist es noch etwas anderes: Dass ich bei den Leuten in ihrem Leben vorkomme, das berührt mich immer wieder sehr."

In "Call My Number" ist sie in den Kammerspielen als erfolgreiche Immobilienhändlerin und als portugiesische Putzfrau in der merkwürdig abgedrehten Kommunikationswelt eines Hotels zu sehen und zu hören. Es wird bestimmt nicht ihr letzter Auftritt in Bonn sein.

Premiere von "Call My Number" in den Kammerspielen: Freitag, 19. Dezember, 19.30 Uhr.

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