Ausstellung im Kölner Museum Ludwig Schockmomente im Aquarium

Köln · Pop-Art und Minimal-Kunst haben ihren Ruf als harte und hermetische Männerdomänen weg, meint jedenfalls die Ausstellungskuratorin des Kölner Museums Ludwig, Julia Friedrich. Und am Schlimmsten seien die Chefideologen des Minimalismus.

 Kunterbunte Welt: Kathryn Andrews' "Still Life" (Woman with Fruit), 2012, vor dem Aquariums-Panorama.

Kunterbunte Welt: Kathryn Andrews' "Still Life" (Woman with Fruit), 2012, vor dem Aquariums-Panorama.

Foto: Thomas Kliemann

Unter anderem, weil sie die Minimalistin Jo Baer aus Seattle verstießen. Sie hatte sich Unmögliches geleistet, war mit ihrer Malerei von der reinen Lehre abgewichen. Objektivität, schematische Klarheit, Logik und Entpersönlichung: In dieses Minimalismus-Korsett wollte sie sich nicht mehr einzwängen lassen. Offenbar gab es in der homogenen Kunstszene der USA Mitte der 70er nur einen Ausweg: das Exil. Jo Bear (Jahrgang 1929) ging nach Irland, dann nach Amsterdam, wo sie heute noch lebt, um ihrer "Radical Figuration" zu frönen.

Die gerade 40 gewordene Kathryn Andrews aus Alabama ist einen anderen Weg gegangen, um mit den Kunstmachos fertig zu werden. Sie hat sich die Kunstszene und Ideologien der 70er aus Los Angeles vorgeknöpft und führt sie auf einer wahrhaft schillernden Bühne vor, auf der Idole und Illusionen, Kulissenschieberei und Hollywoods Traummaschine eine große Rolle spielen. Da wandert nicht, wie bei Warhol, die Pop-Kultur in die Kunst. Bei Andrews wird hehre Kunst auf ihre popkulturelle Verwertbarkeit getestet.

Veteranin Jo Baer und Kathryn Andrews aus der fast Enkelinnen-Generation liefern sich im Museum Ludwig eine anregende Debatte - auf unterschiedlichen Etagen und geistigen Ebenen. Beide haben ihre erste große Ausstellung in Deutschland. Museumschef Philipp Kaiser feiert mit Kathryn Andrews und ihrer Schau "Special Meat Occasional Drink" als Kurator seine Ausstellungs-Premiere in Köln. Ein durch und durch gelungener Einstand.

Mit gleißendem Licht und einer geradezu aggressiven Buntheit empfängt Andrews' Schau den Besucher. Die Räume erhielten in den vergangenen Tagen einen weißen PVC-Boden, der die Exponate gleichsam schweben lässt. Filmrequisiten von Ashton Kutcher aus "Killers" oder eine Knarre aus "Lethal Weapon" treffen auf Geschenkpakete, die Andrews aus einem Laden für Soap-Opera-Bedarf ausgeliehen hat.

Aufwendig nachgebaute Gegenstände vom Hutständer bis zur Baseball-Keule begegnen sogenannten "Tot Finder" mit Clownsgesicht. Das waren einst fröhliche Sticker, die man in den USA von außen an Fenster von Kinderzimmen klebte, damit im Brandfall Feuerwehrmänner genau wussten, wo sie hin mussten.

Für Andrews sind das Kindheitserinnerungen - inzwischen gelten "Tot Finder" als überholt, schon allein, weil auch Päderasten ihren Symbolwert erkannt haben. So schwingt in Andrews kunterbunter Welt, selbst in dem zu einem begehbaren Aquarium umgewandelten Fensterraum, immer auch Bedrohliches mit. Geschickt setzt sie Zeichen, die den Pop-Traum zum Albtraum wenden, und den Glanz der Traumfabrik als pure Illusion entlarven.

So steht man mitten im Aquarium plötzlich vor einen verchromten Zylinder mit einem Loch. "Schauen Sie rein, da ist nur tiefste Schwärze wie in einem Raum von James Turrell", fordert Andrews auf, "und dann kommt der Schock." Kaum haben sich die Augen an das Dunkel gewöhnt, blickt man direkt in die Mündung eines Revolvers. Es ist ein "zertifiziertes Requisit" aus dem Actionfilm "Lethal Weapon". Das Requisit nimmt bei Kathryn Andrews die Stelle des ehrwürdigen Ready Made ein. Auch das ein deutlicher Kommentar zu den Heldentaten der Moderne-Männer.

Stichwortgeber für Bedrohliches ist auch der Konzeptkünstler Allan Ruppersberg, dessen blutige Kriminalitätschronik "Screamed from Life" Andrews ebenso in die Ausstellung integriert hat wie ein Gemälde des Pop-Art-Malers Richard Lindner aus dem Jahr 1965.

Auch für Jo Baers sehr irritierende Ausstellung empfiehlt sich der aufmerksame Blick. Was letztlich mit ihrem Werk passierte, als sich Baer von einfachen geometrischen Signets und weißen Leinwandflächen der 1960er verabschiedete, die nur an den Rändern rahmenartig betont wurden, und dann in eine naiv anmutende, mit Pathos und Fantasy-Elementen aufgeladene Kunstsphäre eindrang, erschließt sich nicht. Immer poetischer, länger und verquaster werden die Titel, uferlos, fast geschwätzig die Bilder.

Selten hat man so einen Bruch gesehen und selten so wenige Anhaltspunkte dafür gefunden. Nur kleine Hinweise gibt es auf dem Weg vom Gegenstandslosen über das antike Ornament bis in eine mitunter arkadische Bilderwelt. Und was sagt die Künstlerin? "Ich bin immer noch eine abstrakte Malerin."

Museum Ludwig, Köln; 25. Mai bis 25. August. Di-So 10-18 Uhr

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