Schmiel: "Ganz großer Fan von Gardiner"

Mit dem Abschlusskonzert in der Beethovenhalle ist Sonntagabend das Beethovenfest 2011 beendet worden. Im Gespräch mit Bernhard Hartmann zieht Festivalchefin Ilona Schmiel Bilanz.

Bonn. Mit dem Abschlusskonzert in der Beethovenhalle ist Sonntagabend das Beethovenfest 2011 beendet worden. Im Gespräch mit Bernhard Hartmann zieht Festivalchefin Ilona Schmiel Bilanz.

General-Anzeiger: Das Beethovenfest ist zu Ende. Sind Sie aus künstlerischer und ökonomischer Sicht zufrieden?

Ilona Schmiel: Ja, sehr. Ich habe das Gefühl, dass in diesem Jahr der Inhalt und die gesamte Dramaturgie des Beethovenfestes sehr stark dazu beigetragen haben, die Auslastungszahlen weiter nach oben zu bringen. Es war aus unserer Sicht richtig, gleich zu Beginn starke Akzente zu setzen.

Dem Eröffnungswochenende mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck und dem Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta folgten das Gewandhausorchester Leipzig, das London Symphony Orchestra unter Gardiner und Davis und das fantastische Budapest Festival Orchestra. Das Zusammenspiel von Künstlern und künstlerischen Ideen unter dem Titel "Zukunftsmusik" hat, wie ich finde, sehr gut funktioniert.

GA: Was waren Ihre drei persönlichen Highlights?

Schmiel: Dazu zählt auf jeden Fall Mahlers erste Sinfonie mit Iván Fischer und dem Budapest Festival Orchestra. Dann Bruckners Achte mit Yannick Nézet-Séguin und dem Rotterdam Philharmonisch Orkest. Und ich bin ein ganz großer Fan von Sir John Eliot Gardiners Interpretation der neunten Sinfonie Beethovens mit dem London Symphony Orchestra und dem Monteverdi Choir.

GA: Wenige Tage zuvor haben ja Daniel Barenboim und das West-Eastern Symphony Orchestra ihren weltweit beachteten Beethoven-Zyklus mit der Aufführung aller neun Sinfonien in Köln beendet. Ist solch eine Parallelität nicht ein bisschen unglücklich für Bonn?

Schmiel: Finde ich nicht. Wir hätten den Zyklus ja gar nicht machen können. Als er geplant wurde, konnten wir wegen der Festspielhaus-Planungen nicht wissen, ob wir eine Halle haben würden. Aber ich finde das auch völlig unproblematisch. Das hat unserem kleinen Zyklus mit vier Beethoven-Sinfonien auch gar keinen Abbruch getan. Fürs nächste Jahr bereiten wir dafür einen sehr erlesenen Sinfonien-Zyklus vor - und da hat Köln keinen.

GA: Wer spielt, wer dirigiert?

Schmiel: Esa-Pekka Salonen und das Philharmonia Orchestra London. Der Zyklus wird durchsetzt sein mit fünf zeitgenössischen Werken aus fünf Kontinenten. Sie symbolisieren die fünf olympischen Ringe. Wir knüpfen damit an die nächsten Olympischen Spiele an, die 2012 in London stattfinden. Insbesondere die neunte Sinfonie spricht ja den olympischen Gedanken aus. Dieser Zyklus wird ein Exklusiv-Projekt, das wir uns hier gönnen.

GA: Sie engagieren sich im Beethovenfest sehr stark für den Nachwuchs. Mit Bobbys Klassik gibt es hier in Bonn ein sehr erfolgreiches Modell, für das es auch schon Echo-Preise gab. Wäre es da nicht sinnvoll, zu kooperieren?

Schmiel: Die Frage stellt sich immer dann, wenn eine Seite zusätzlich etwas braucht. Bobbys Klassik funktioniert auch ohne uns sehr gut. Deshalb machen wir auch keine großen Konzerte für Kinder. Wir konzentrieren uns lieber auf das Schülermanager-Projekt, das jetzt ebenfalls mit einer wichtigen Auszeichnung bedacht wurde.

Die Frage wäre eher, ob man die beiden nicht zusammenbringen könnte, ob die Schülermanager nicht einmal übers Jahr verteilt Bobbys-Klassik-Konzerte organisieren könnten. Kooperation ist nur sinnvoll, wenn beide Seiten einen Mehrwert dadurch haben.

GA: Wäre das nicht bei der Oper der Fall? Beethovens "Fidelio" ist seit 2005 in Bonn nicht mehr aufgeführt worden. Wann werden wir das Werk wieder hören?

Schmiel: 2013

GA: Auf der Bühne als Kooperation mit dem Theater Bonn oder aber konzertant?

Schmiel: Dazu sage ich jetzt noch nichts. Eine Koproduktion mit dem Theater Bonn haben wir aber fest für nächstes Jahr geplant.

GA: In diesem Jahr gab's ja kaum Berührungspunkte mit dem Theater.

Schmiel: Ja, manchmal ist das so. Wir müssen ja lange im Voraus planen. Aktuell sind wir bei 2014/15. Und dafür haben wir beim Theater noch keinen Ansprechpartner. Aber es stimmt natürlich. Was das Theater angeht, ist die Frage der Koproduktionen eine, die geklärt werden muss. Auch im Hinblick auf die künftige Leitung der Bonner Oper.

GA: Wie lautet denn das Motto für das kommende Jahr?

Schmiel: Das kreieren wir erst ganz zum Schluss.

GA: Wird es neben dem bereits genannten Philharmonia Orchestra ein weiteres Orchestra in Residence geben?

Schmiel: Die Kammerphilharmonie Bremen wird man weiterhin als Orchestra in Residence hier treffen. Und es gibt einige Neuentdeckungen, die wir präsentieren werden.

GA: Wird es auch in der Abteilung Kammermusik einen Zyklus geben?

Schmiel: Ja. Andras Schiff wird über zwei Jahre verteilt die 32 Klaviersonaten Beethovens spielen. Wir gehen mit diesem spannenden Projekt in den Großen Saal der Beethovenhalle.

GA: Wird es wieder ein Orchester aus Venezuela geben?

Schmiel: Das ist in Planung. Wir wollen in einem Zweijahres-Rhythmus weiterarbeiten und sind jetzt in der endgültigen Findungsphase, welches Orchester zum Beethovenfest Bonn 2012 reisen wird. Es gibt ja mittlerweile viele hervorragende Jugendorchester in Venezuela. Aber auch da setze ich auf eine Innovation. Wir möchten gerne zeigen, wie das Ausbildungsprogramm "El Sistema" in die Breite wirkt.

GA: Das "Sistema" existiert seit 35 Jahren. Im Irak gibt es ein solch flächendeckendes und nachhaltiges Ausbildungssystem nicht. werden sie solche zarten Pflänzlein wie das Jugendorchester aus dem Irak auch weiterhin pflegen?

Schmiel: Das halte ich für sehr wichtig. Wir tun das zum Beispiel in Brasilien, das im vergangen Jahr mit der Sinfónica Heliópolis des Instituto Baccarelli aus São Paulo beim Orchestercampus vertreten war. Wir werden 2013 wieder dorthin gehen. Ausgelöst durch unsere Einladung hat die brasilianische Regierung das Education-Projekt jetzt zunächst für fünf Jahre voll finanziert.

Für das irakische Jugendorchester sind der Förderverein und der ständige Kontakt zu den Mentoren, den Musikern aus den großen Orchestern, von Bedeutung. Unsere Chance sehe ich in der Unterstützung dieses Netzwerkes.

Ich halte das Konzert vom 1. Oktober in Bonn für einen historischen Augenblick. Es war das vielleicht mutigste Projekt, das wir je gemacht haben. Das Projekt, das mit den größten Risiken behaftet war. Auch im Hinblick auf die Umbrüche, die die arabische Welt derzeit erlebt. Der Dirigent Paul MacAlindin und die Geigerin Arabella Steinbacher haben bei diesem Konzert eine entscheidende Rolle gespielt.

GA: Werden wir Beethovens 250. Geburtstag 2020 in einem neuen Konzerthaus feiern?

Schmiel: Wenn wir hier in Bonn so mutig wären wie die jungen Irakis, dann ja. Ich sehe für das Projekt noch eine Chance, wenn jetzt alle an einem Strang ziehen.

Zur PersonIlona Schmiel ist seit 2004 Intendantin des Bonner Beethovenfests. Geboren wurde sie 1967 in Hannover. Sie studierte Gesang, Schulmusik, Altphilologie sowie Kultur- und Medienmanagement in Berlin und in Norwegen. In den 90er Jahren organisierte sie unter anderem die weltweiten Operntourneen der "Arena di Verona". Seit 1998 leitete sie für vier Jahre das Bremer Konzerthauses "Glocke". Ilona Schmiel unterrichtet in Berlin Kultur- und Medienmanagement und ist seit 2005 Mitglied der Jury der Kulturstiftung des Bundes.

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