Opernpremiere im Kölner Staatenhaus "Salome": Eine Frau sieht rot

Köln · Ted Huffman inszeniert Richard Strauss' Oscar-Wilde-Adaption als blutiges feministisches Rachedrama. Ingela Brimberg begeistert in der Titelpartie, François-Xavier Roth als Dirigent.

 Gewaltsame Umdeutung; Szene aus Ted Huffmans Kölner „Salome“-Inszenierung. FOTO: LECLAIRE

Gewaltsame Umdeutung; Szene aus Ted Huffmans Kölner „Salome“-Inszenierung. FOTO: LECLAIRE

Foto: Leclaire

"Man töte dieses Weib!“ Ein Befehl, den Herodes angewidert herauspresst, bevor seine Soldaten sich ans Werk machen und seine Stieftochter Salome, die soeben den Mund des auf ihren Wunsch enthaupteten Propheten Jochanaan geküsst hat, zu exekutieren. So kennt man die Geschichte. Im Kölner Staatenhaus bietet sich am Ende von Richard Strauss Oper „Salome“ jedoch eine radikal andere Szene. Dort werden wir Zeuge eines Aufstands der Frauen, der so blutig inszeniert ist, als hätte Quentin Tarantino seine Hände im Spiel. Sie schießen allem, was männlich ist, das Hirn aus den Schädeln, dass die Blutfontänen bis in der letzten Reihe im Saal 2 des Staatenhauses zu sehen sind, oder schneiden ihnen die Kehlen durch. Am Ende gibt es viele Tote, Salome aber überlebt. Sie ist im Kampf der Geschlechter nicht weniger zimperlich als ihre Gefährtinnen, hatte sie doch zuvor schon dem radikalen Moralprediger Jochanaan, der ihre Avancen zurückwies, persönlich ein Messer in die Brust gerammt und dann den Sterbenden mit einem Tuch erstickt.

Der junge US-Regisseur Ted Huffman will – womit er keineswegs allein steht – weg von den üblichen orientalistischen Klischees der 1905 uraufgeführten Oper, weg von der Zeichnung der noch blutjungen Salome als egozentrisch-hysterisches Gör, dessen erwachende Lust es in ein Monster verwandelt. Seine Intention ist es, Strauss' recht texttreuer Vertonung von Oscar Wildes Drama eine politische Dimension zu geben, indem Salome zwar das prominenteste, aber letztlich eines von vielen Opfern brutaler sexueller Dominanz der Männer am Hofe des Tetrarchen Herodes ist.

Da sitzen etwa mehrere junge Frauen gefesselt und nur mit einem Hemd bekleidet am linken Bühnenrand und müssen immer damit rechnen, von irgendwelchen Männern des Hofes irgendwohin geschleift und missbraucht zu werden. Spätestens aber, als sie Salome beim Schleiertanz zur Seite stehen und auf dem reich gedeckten Banketttisch tanzen, weiß man, dass hier eine Frauensolidarität gewachsen ist. Mit Salome als politischer Leitfigur. Dass die Stieftochter des Herodes hier keine 14 mehr, sondern eher 40 Jahre alt ist, daraus macht ihre Darstellerin, Ingela Brimberg, kein Geheimnis. Im Gegenteil. Man sieht auf der Bühne eine gestandene Frau im Abendkleid (Kostüme Annemarie Woods), der es nicht um die Befriedigung der eigenen Lust geht, sondern darum, sich zu wehren. Stimmlich muss sie ohnehin ein gewisse Reife und Erfahrung mitbringen, was die schwedische Sopranistin auch tut. Gesanglich ist ihre Salome ebenso stimm- wie ausdrucksstark bis hin zum großen Schlussmonolog.

Salome in Zeiten von #metoo

Die feministische Sichtweise auf „Salome“ ist in Zeiten der #metoo-Debatte aller Ehren wert, aber letztlich doch eine etwas gewaltsame Umdeutung der Titelheldin, die bei Wilde und Strauss nicht im Ansatz solch politisches Bewusstsein entwickelt. Das mag auch die vielen Buhs am Ende erklären.

Die Geschichte spielt im Einheitsbühnenbild, das Ben Baur ziemlich raffiniert angelegt hat. Die Säulen im Art-Déco-Stil der 1920er prägen das Bild und geben der Bühne eine enorme Tiefe, rechts, etwas erhöht, sitzt das Orchester, das – gut sichtbar – von François-Xavier Roth dirigiert wird. Sie machen ihre Sache fabelhaft, die Farbigkeit der Partitur, bei der es sich übrigens um eine noch nicht im Druck erschienene neue kritische Ausgabe handelt, kommt ebenso gut herüber wie die massive Wucht dieser Musik. Auch das Zusammenspiel mit den Sängern auf der Bühne funktioniert bestens. John Heuzenroeder gibt einen sehr präsenten und faszinierend unsympathischen Herodes, Dalia Schaechter überzeugt als seine Frau Herodias. Vergleichsweise blass bleibt die Figur des Propheten Jochanaan, der von Bassbariton Kostas Smoriginas gesungen wird. Die tragische Figur des verliebten Narraboth singt Dino Lüthy mit schönem tenoralem Schmelz, Martin Koch kraftvoll den ersten Juden. Auch die vielen anderen Solisten, darunter Luke Stoker (erster Nazarener), Matthias Hoffmann (erster Soldat) und Judith Thielsen (Page) agieren auf hohem Niveau. Für die musikalische Seite gab's in Köln denn auch ungeteilten Beifall.

Weitere Termine: 18., 20., 24., 26., 28. Oktober, 4., 7., 10., 16. und 18. November. Etwa 1 3/4 Std. ohne Pause. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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