Roger Willemsen fesselt Springmaus-Publikum

Kein anderer könnte sich das erlauben: sich auf die Bühne der Springmaus stellen und dem Publikum zwei Stunden lang von seinen Reisen erzählen. Ohne Dias, dafür aber mit komplexen Sätzen. Roger Willemsen kann es.

Bonn. Kein anderer könnte sich das erlauben: sich auf die Bühne der Springmaus stellen und dem Publikum zwei Stunden lang von seinen Reisen erzählen. Ohne Dias, dafür aber mit komplexen Sätzen. Roger Willemsen kann es.

So steht er locker da in seinem eleganten grauen Einreiher, wiegt sich ein wenig in den Hüften und nimmt seine Zuhörer mit nach Birma, Afghanistan, Patagonien, Timbuktu und Kamtschatka, bis hin zum Nordpol. Immer im Sog ungeahnter Möglichkeiten, auf der Suche nach einem Weltenende, um das Neue, Andere aufzusaugen.

"Die Enden der Welt" heißt das Buch, in dem Willemsen seine Erlebnisse verführerisch formuliert. Für seinen Auftritt braucht er es nicht, die Episoden sprudeln gestochen scharf aus ihm heraus. Der Stil ist brillant, die Bildkraft spektakulär, der Erzählton bespielt die ganze Klaviatur zwischen poetischer Melancholie und absurder Komik.

Wir erfahren, was Franz Grillparzer mit jenem Truthahn in einem Zugabteil zwischen Rangun und Mandalay gemeinsam hat und schauen dabei zu, wie ein in Locarno abhanden gekommenes, goldenes Zahn-Inlay auf wundersame Weise aus den Tiefen eines orangefarbenen Flokati wieder auftaucht, mit dem sich ein Gästezimmer in Kabul schmückt.

Die einzelnen Szenen und Ereignisse, die für Willemsen zur Epiphanie werden, sind nicht immer ergreifend, aber so lebendig, dass sich das Charisma des jeweiligen Ortes vorübergehend am Weltenende Endenich materialisiert. Und sei es nur der Flughafen von Minsk, der so aussieht, als sei er aus Dunstabzugshauben zusammengeschraubt worden.

Roger Willemsen: Die Enden der Welt. Fischer-Verlag, 544 Seiten, 22,95 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort