Contra-Kreis-Theater René Heinersdorff inszeniert die liebenswürdige Familienkomödie "Omma Superstar"

BONN · Ich sehe ja aus wie Grit Boettcher", hat sie erschrocken ausgerufen, als sie am Set für eine neue Telenovela hergerichtet wurde. Natürlich war das nicht der einzige Grund, weshalb "Omma" Meta Sommer, gespielt von der echten Grit Boettcher, nach der ersten Staffel die Brocken hingeschmissen hat.

 Mit 70 fängt das Leben erst an: Grit Boettcher und Claus Thull-Emden.

Mit 70 fängt das Leben erst an: Grit Boettcher und Claus Thull-Emden.

Foto: CKT

Die bekannte Film- und Bühnenschauspielerin Grit Boettcher kann es sich leisten, selbstironisch mit ihren langen Erfahrungen und ihrem Image zu kokettieren und scheinbar aus der Rolle zu fallen, um sich direkt ans Publikum zu wenden.

Sie ist das Zentrum der liebenswürdigen Familienkomödie "Omma Superstar" von Gunther Beth und Folker Bohnet, die jetzt in der Regie von René Heinersdorff am Bonner Contra-Kreis-Theater ihre Uraufführung erlebte. Sie ist vor allem das lebendige Herz der Aufführung und meistert mit gesundem Menschenverstand und einer ordentlichen Portion Mutterwitz alle Situationen.

Zugegeben: Jahrelang hat Meta Sommer sich bei ihrer Tochter Sandy nicht blicken lassen. Die konnte auf mütterlichen Rat auch gut verzichten. Nicole Belstler-Boettcher (im wirklichen Leben tatsächlich Grit Boettchers Tochter) behauptet sich auf der Bühne perfekt in dem allfälligen Mutter-Tochter-Konflikt. Sandy, hochgewachsen, blond und gescheit, gestandene Apothekerin, hat ohnehin genug zu tun mit ihrer kleinen Familie. Ihr Fast-Exgatte Artur reicht ihr nicht nur geistig knapp bis zur Schulter, an die er sich gelegentlich anlehnt. Der Typ (hübsch zappelig als nie erwachsen werdendes Kind gespielt von Rolf Berg) hängt ihr zum Hals raus, zumal sie seinen Unterhalt zahlt, während er längst bei Svetlana haust, die ihr Geld an der Alu-Stange verdient. Wie Sohnemann Stefan, frisch gebackener Medizinstudent, reichlich spitz bemerkt.

Der pfiffige Junge, intelligent verkörpert von Werner Michael Dammann, hält seinen Papa zu Recht eher für einen Loser als für das große Los. Hat aber was übrig für die charmante Oma, die beherzt den Haushalt übernimmt. Das Bündnis zwischen den Generationen klappt ganz gut, auch wenn Meta die Kinder ganz gern überspringen und gleich zu den Enkeln übergehen würde. Zumal sie Geld braucht für ihr Hilfsprojekt für gefallene Mädchen in Tunesien.

Genauer in Sidi Bou Said, dem unter anderem durch den Bonner August Macke bekannt gewordenen Künstlerdorf - ein bisschen bildungsbürgerliches Lokalkolorit muss die Suppe würzen, während Meta selbige auf Sparflamme kocht. Bis der junge Medienprofi Ketschensteiner hereinschneit. Ketschi ist ein echter News-Catcher und wird unverschämt komisch gespielt von Claus Thull-Emden.

Oma Meta, der Sandy sarkastisch allenfalls einen Auftritt bei den "Latenten Talenten" zutraute, hat bei einem Casting die Rolle ihres Lebens gewonnen und wird der Superstar einer neuen TV-Serie. Oma macht Schlagzeilen, während Schwiegersohn und Enkel sich mit Designer-Sonnenbrillen als Manager-Boygroup aufspielen, was irgendwann unter deutlichem Alkoholeinfluss an der Laterne vor Sandys Wohnung endet. Das wird wahrscheinlich teuer, weil Oma Meta nicht nur E-Mails geknackt, sondern auch Stefans Vollkasko-Versicherung heimlich flüssig gemacht hat für den Schauspielunterricht bei Herrn Knack. Den Schwanensee im Tütü hat sie noch drauf, auch wenn beim Beinschwung von der Besenstiel-Ballettstange charmante Hilfestellung nötig ist.

Den phonetischen Bemühungen des beknackten Lehrers (irre skurril: Frank Büssing) bietet sie mit einer "Iphigenie" Paroli, die klassische Versmaße beherrscht und begreift. Künstlerischer Tiefsinn wird aber nicht mehr gebraucht beim "kommerziellen Flachsinn", von dem sie sich souverän verabschiedet. Deshalb sagt Meta Sommer dem Winter Adieu und richtet ihre kleine Familie neu aus.

"Omma Superstar" räumt nämlich cool auf und hat ein brennendes Herz für die neue Welt. Auch mit 74 hat man noch Träume und fängt neu an, was die Jüngeren versäumten. Grit Boettcher zeigt das fabelhaft uneitel mit unerschütterlich sanftem Biss. Und singt als Zugabe unwiderstehlich trotzig mit gekonntem Hüftschwung ihr "Mit 70 fängt das Leben erst an". - Standing Ovations für das putzmuntere Ensemble bei der ausverkauften Premiere.

Info: Vorstellungen fast täglich bis zum 17. März. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen und bei bonnticket.de

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