Premiere im Bonner Schauspielhaus Regisseur Volker Lösch blickt in die Abgründe des Theaters

Bonn · Christine Langs „House of Horror“ bewegt sich zwischen MeToo-Debatte und bizarrem Horrorkino.

Demütigungen: Szene aus „House of Horror“.

Demütigungen: Szene aus „House of Horror“.

Foto: Thilo Beu

Auch für Männer ist die Bühne ein gefährlicher Ort. Die Theatergeschichte ist voll von toten Schurken und Helden. Sie sterben jedoch selten an sexualisierter Gewalt, während die Liste weiblicher Tragödienopfer lang ist: betrogen, zwangsverheiratet, versklavt, vergewaltigt, ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Gern werden sie auch noch als Grund allen Übels angesehen wie die hochbegabte Pandora.

Das Ensemble zitiert anfangs im Chor Hesiods Erzählung – samt Regieanweisungen. Schließlich soll es vor allem um das Theater gehen.Um die Demütigungen vom Vorsprechen bis zu mangelnden Rollen für gestandene Schauspielerinnen, die dem Alter der Ophelias und Gretchens entwachsen sind.

Regisseur Volker Lösch und die Autorin und Dramaturgin Christine Lang haben mit Ensemble-Mitgliedern und einem Bürgerinnen-Chor das Bonner Schauspielhaus in ein „House of Horror“ verwandelt. Untertitel: „Theater. Frauen. Macht“. Das Ergebnis ist mehrschichtig.

Da sind einerseits die fiktiven Figuren mit ihren überwiegend von Männern formulierten Rollenbildern. Andererseits sind da die Schauspielerinnen (großartig zwischen bekannten Dramenfiguren, Verweigerung von Rollenklischees und Karikaturen pendelnd: Sophie Basse, Annika Schilling, Birte Schrein, Lydia Stäubli und Sandrine Zenner) sowie die Schauspieler (Daniel Breitfelder und Daniel Stock), die die Machtstrukturen des Theaterbetriebs kritisch in Frage stellen. Die MeToo-Debatte betrifft bekanntlich ja nicht nur die weibliche Seite des Geschäfts.

Ein riesiges Sofa verlangt Sprungbereitschaft

Dominantes Bühnenelement (Bühne: Julia Kurzweg) ist ein riesiges Sofa, das sportliche Sprungbereitschaft verlangt, um einen der begehrten Plätze zu erobern. Shakespeares wüste Rachetragödie „Titus Andronicus“ ist tatsächlich ein Stoff für blutige Albträume. Und so verschwinden Birte Schrein und Sandrine Zenner plötzlich unter viel Rauch und Getöse in der Versenkung. Für gefühlt eine Stunde lang führt ein Film in den höllischen Untergrund des Theaters. Angstvisionen in gespenstisch endlosen Fluren, auf Hinter- und Unterbühne, gruselige Blicke in die Textwerkstatt Brechts und seiner weiblichen „Schreibmaschinen“ – bizarres Horrorkino von geringem Erkenntniswert.

Gespielt sind alle Wirklichkeitsbehauptungen der Inszenierung, die wie bei Volker Lösch üblich auch Experten des Alltags einbezieht. Diese haben sich die gesammelten Berichte von Alltagsdiskriminierung und „normaler“ Übergriffigkeit zu eigen gemacht und wecken ehrliches Nachdenken.

Insgesamt aber verschwimmt die Botschaft der aufwendigen Vorstellung im üppigen Bühnennebel. Freundlicher Beifall.

Nächste Termine: 6., 19., 22. u. 29. Juni. Karten bei Bonnticket.

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