Das Kölner Museum Ludwig experimentiert Raus aus dem Museum

Köln · Das Museum Ludwig lädt in einem ungewöhnlichen Projekt zum „Hausbesuch“ in Kölner Privatwohnungen ein. Das funktioniert.

 Verwirrendes Röhrensystem: Makler im Gerling-Quartier.

Verwirrendes Röhrensystem: Makler im Gerling-Quartier.

Foto: Rheinisches Bildarchiv Koeln

Der geschniegelte Makler versteht sein Handwerk. „Wie an der Piazza Navona in Rom“ dürfe man sich im Gerling-Quartier fühlen, und die hochwertig ausgestatteten Wohnungen mit ihren weißen Wänden eigneten sich bestens für die Präsentation der privaten Kunstsammlung der betuchten Interessenten. Etwas merkwürdig wirkt indes die unkonventionell designte Wohnzimmereinrichtung, die an ein verwirrendendes Röhrensystem angeschlossen ist.

Die Musterwohnung (samt echtem Makler) ist vorübergehend Teil des Projekts „Hausbesuch“, einer Ausstellung, die das Museum Ludwig in privaten Wohnungen und Häusern realisiert. Kuratorin Leonie Radine hat internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, für sechs völlig unterschiedliche Orte Arbeiten zu entwickeln. Mit dem experimentellen Format verlässt man den gewohnten musealen Kontext und schickt Besucher auf eine hochspannende Entdeckungsreise quer durch die Stadt.

Beim Ticketkauf im Museum bekommt man einen Wegweiser mit allen Adressen ausgehändigt, die Tourplanung ist jedem selbst überlassen. Fußmatten mit der Aufschrift „Hausbesuch“ dienen an den Stationen als Erkennungszeichen.

Die Interventionen thematisieren insbesondere die zunehmende Öffentlichkeit, etwa durch soziale Medien und mobiles Arbeiten einerseits und das gleichzeitige Bedürfnis nach Privatsphäre andererseits, sie setzen sich kritisch mit Wohnverhältnissen und mit Rollenklischees auseinander. Jeder Ort und jede Arbeit entwickeln im Zusammenspiel ihr ganz eigenes Profil. Die Mexikanerin Pia Camil hat das puristisch-kühle Haus einer Textildesignerin und eines Architekten mit Stoffen verändert, die sie auf einem Second-Hand-Kleidermarkt in ihrer Heimat gekauft hat. Der Glaskubus, in dem die Gastgeberin ihren Arbeitsplatz hat, ist mit einem Vorhang aus zusammengenähten roten und pinkfarbenen T-Shirts ausgestattet.

Das Sofa hat einen Überwurf aus Jeans bekommen, deren Beine zum Teil ausgestopft sind. Mit geringfügigen Eingriffen hat die Künstlerin den Räumen eine völlig andere Anmutung verliehen und Fragen nach Anspruch und Wirklichkeit modernistischer Architektur aufgeworfen.

Der Kontrast zwischen der Hahnwald-Villa und der angeranzten Bohème-Idylle im Agnesviertel könnte kaum größer sein. Melanie Matranga zeigt in der Künstler-WG zwei Filme, die von Nähe und Alleinsein und von unerfüllten Sehnsüchten erzählen. Das Erkerzimmer einer Altbauwohnung im Belgischen Viertel ist Schauplatz einer Leseperformance, für die Marwa Arsanois Auszüge aus feministischer Literatur mit eigenen Texten kombiniert hat.

Anspielungsreich ist auch der Beitrag des Künstlerkollektivs áyr, das die 24 Fenster im letzten Wohnhaus des Architekten Oswald Mathias Ungers mit Gardinen aus einem transparenten Metallgewebe ausgestattet hat, das vor Datenspionage schützen soll. Die Angst vor digitaler Transparenz kommt hier zum Ausdruck.

Vom Ungers-Haus sind es nur wenige Schritte bis zu einer Bauruine, die das amerikanische Künstlerduo Calia Henkel und Max Pitegoff hinter einer in Berlin gefundenen Bauplane verborgen hat. Die aufgedruckten klassizistischen Architekturelemente steigern massiv die Aufmerksamkeit für das Gebäudefragment, das im Inneren zudem durch eine Lichtinstallation erleuchtet wird.

Bis 27. November, jeden Samstag und Sonntag von 12-18 Uhr. Ticketkauf im Museum Ludwig.

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