Festival Rolandseck Rasender Wahnsinn

Festival Rolandseck eröffnet mit Isabel Karajans faszinierender Darstellung in Peter Maxwell Davies' "Mad King". Die älteste Tochter Herbert von Karajans wird in einem Karton verpackt per Gabelstapler zur Bühne gefahren und vor C.O. Paeffgens Mondsicheln platziert.

 Isabel Karajan spielte in Rolandseck den geistig umnachteten König George III.

Isabel Karajan spielte in Rolandseck den geistig umnachteten König George III.

Foto: Giovanni Ausserhofer

Das Largo der Triosonate aus Johann Sebastian Bachs "Musikalischem Opfer" - ein Werk, das der Komponist für den Preußenkönig Friedrich II. schrieb - ist von herzzerreißender Schönheit. Beim Eröffnungskonzert des 8. Festivals Rolandseck wurde dieser Komposition die Rolle einer tragischen Ouvertüre zuteil.

Noch bevor Festivalleiter und Geiger Guy Braunstein und die Flötistin Susanne Barner ihren musikalischen Dialog zu Ende bringen konnten, zerriss ein ohrenbetäubender Lärm die andächtige Atmosphäre im Wechselausstellungsraum des Arp-Museums; und Klaus Ortners Inszenierung von Peter Maxwell Davies' schriller Kammeroper "Eight Songs for a Mad King", die 1969 uraufgeführt wurde, nahm ihren verstörenden Lauf - auf dem Höhepunkt der musikalischen Spannungskurve wurde gar eine Geige zerschmettert, gerade so, wie Pete Townsend von "The Who" es mit seinen E-Gitarren zu tun pflegte.

Freilich handelt es sich bei Davies' "verrücktem König" nicht um den Alten Fritz, sondern um GeorgE III. von England, dessen letzte Lebensphase von schwerer geistiger Umnachtung geprägt war. Unter anderem glaubte er in einem Baum den Alten Fritz zu erkennen, ein Umstand, der wiederum ein Licht auf die ausgeklügelte Wahl des Bach'schen Eingangsstückes in der Rolandsecker Inszenierung wirft.

Hier war die Rolle des englischen Königs mit Isabel Karajan besetzt. Die älteste Tochter Herbert von Karajans wurde in einem Karton verpackt per Gabelstapler zur Bühne gefahren und vor C.O. Paeffgens Mondsicheln platziert. Erst lugte aus der Pappe nur ein übergroßes Auge hervor, dann ein roter Papierschlüssel und schließlich der als Mumie bandagierte König. Als die Darstellerin sich daraus befreit hatte, durfte man sich an der farblichen Konsonanz von blauer Perrücke und rotem Gehrock mit Paeffgens farbigen Monden erfreuen.

Karajan ist zwar Schauspielerin und keine ausgebildete Sängerin (Davies sah ursprünglich für die Rolle des George eine Baritonstimme vor), aber ihre schiere Präsenz, ihr ausdrucksvoller Sprechgesang, der über ein Mikroport verstärkt wurde, machten dennoch eine mustergültige Interpretation des tragikomischen Stoffes möglich. Karajans Kunst fesselt, sie berührt, und sie macht nachdenklich.

Am Ende steht sie quasi nackt da: in einem hautfarbenen Trikot mit umgeschnalltem Penis. Man sieht den König als schutzlos ausgeliefertes Wesen. In dieser dieser Situation war der achte Song (der ebenso wenig ein Lied im herkömmlichen Sinne ist wie die anderen sieben) dann in deutscher Sprache zu hören. Ein wirkungsvoller dramaturgischer Kunstgriff in einer überaus klugen Inszenierung.

Die Musiker unter der Leitung des Pianisten und Co-Festivalchefs Ohad Ben-Ari spielten die komplexe, aus vielen musikalischen Versatzstücken geschickt montierte Partitur mit extremer Leidenschaft. Das Publikum war zu einem großen Teil begeistert, zu einem geringeren eher nicht.

Vor der Aufführung von Davies' Kammeroper gab es auch im konzertanten ersten Teil des abends eine Art theatralischer Aktion, und zwar mit Charles Ives' "Unanswered Question", die in einer Kammermusikversion gespielt wurde. Die Musikergruppen verteilten sich im Raum, so dass die sehr heterogenen musikalischen Schichten ihre Wirkung eindrucksvoll entfalten konnten, die sphärischen Streicherharmonien, die dissonanten Holzbläser und natürlich die fragende Solostimme, die hier der Klarinettist Chen Halevi formulierte, während sie üblicherweise von einer Trompete intoniert wird.

Dass in Rolandseck ganz fabelhafte Musiker zusammenkommen, war außerdem in Bachs Brandenburgischem Konzert zu hören, wo die virtuosen Künste des Geigers Boris Brovtsyn herausstachen, aber auch in dem elegant-humorvollen Stücke aus Richard Strauss' "Der Bürger als Edelmann". Und Amihai Grosz berührte mit dem ersten Satz aus Max Regers Solosuite für Bratsche.

Das Kammerkonzert am Mittwochabend ist bereits ausverkauft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort