Schrille Inszenierung Publikum feiert Rossinis "Il Barbiere di Siviglia" in der Bonner Oper

Bonn · Wenn bei Rossini die Welt wieder einmal dem Wahnsinn anheimfällt, das Orchester im Graben zu rasen beginnt und bald zu einer bedrohlichen Klanglawine anschwillt, verlieren sie auf der Bühne alle den Boden unter den Füßen: In Philipp Himmelmanns Bonner Inszenierung der komischen Oper "Il Barbiere di Siviglia" ist das ganz buchstäblich der Fall.

 Den Boden unter den Füßen verloren: Schluss des ersten Aktes in der Bonner Inszenierung von Rossinis "Barbier".

Den Boden unter den Füßen verloren: Schluss des ersten Aktes in der Bonner Inszenierung von Rossinis "Barbier".

Foto: Thilo Beu

Zum quirligen Schlussensemble des ersten Aktes schweben die Hauptfiguren in einigen Metern Höhe über dem Boden und besingen den seltsamen Zustand der Verwirrung, der ihre Hirne vernebelt. Es ist schon ziemlich schrill, was da auf der Bühne passiert. Und nicht erst im fortgeschrittenen Stadium der Handlung.

Bereits wenn des Grafen Diener Fiorillo (Algis Lunskis) seine feuerrote Haartolle aus dem Orchestergraben hervorstreckt und die nicht weniger grellen Haartollen seiner Musikanten ihm kurz darauf folgen, muss man sich auf einen ziemlich schrägen Abend gefasst machen.

Es ist urkomisch, wie sich diese Truppe dann auf leisen Sohlen dem Hause des Doktor Bartolo nähert, in dessen Mauern der Graf (Tamás Tarjányi) die hübsche Rosina (Kathrin Leidig) weiß, die eine rapunzelhaft herabfallende Locke verrät. Sein Ziel ist die Eroberung ihres Herzens. Die Herzen des Publikums scheinen bereits in dieser ersten Szene den Akteuren auf der Bühne zuzufliegen.

Himmelmann zeigt in seiner jüngsten Bonner Arbeit keine Scheu vor plakativen Effekten, die durch Johannes Leiackers Bühnenbild und Gesine Völlms Kostüme quietschbunt unterstrichen werden. Aber grober Schenkelklopferhumor ist Himmelmanns Sache keineswegs. Er dosiert den Humor ebenso klug wie ökonomisch, die Einfälle und Pointen werden nachvollziehbar am Libretto und an der Musik entlang eingeflochten. Nichts (außer den Perücken) wirkt hier aufgesetzt.

Himmelmann zeigt auf der Opernbühne einen bunten Jahrmarkt der Eitelkeiten, die sich im "Barbier" in allerlei Varianten metaphorisch materialisieren. Die Bühne ist durch flutende Haarsträhnen geprägt, die zugleich als Eingänge dienen. Die Frisuren der höchst individuell und aussagekräftig durchgestylten Protagonisten verraten viel über ihr Innerstes.

Während der als Student verkleidete Graf mit seinem Blondhaar auch an einem Surf-Strand gute Figur machen würde, wirkt die Frisur seines Rivalen Doktor Bartolo (Ramaz Chikviladze) ein wenig wirr und vernachlässigt. Figaro, der Barbier, kommt mit seinem langen, glatt nach hinten gekämmtem Haar als selbstbewusster, aber auch ein wenig öliger Strippenzieher daher.

Der Bariton Giorgos Kanaris verleiht dem Figaro gesanglich wie darstellerisch Statur, wie überhaupt das gesamte Ensemble durch bemerkenswerte Spiellaune mitreißt. Tamás Tarjányis vielleicht nicht sehr große Tenorstimme bringt Flexibilität und Ausdruck mit, was von einem bemerkenswerten schauspielerischen Talent ergänzt wird.

Dass er beim gräflichen Ständchen die Gitarre selbst zupft, ist ein hübsches Detail. Kathrin Leidig spielt die Rosina mit listig-mädchenhaftem Charme und verleiht der Partie bezaubernde Mezzofarben. Ramaz Chikviladze setzt seinen Bass als Bartolo ebenso wirkungsvoll ein, wie sein Kollege Martin Tzonev, der als Don Basilio in füllig wattiertem Kostüm und mit diabolischen Spock-Ohren gefällt.

Vardeni Davidian (Berta), Algis Lunskis und Johannes Marx fügen sich in diesem Ensemble wunderbar ein. Ebenso der von Ulrich Zippelius einstudierte Herrenchor. Unter Robin Engelen spielt das Beethoven Orchester luzide und genau, die Tempi wirken immer beherrscht. Nach zweieinhalb Stunden fiel die Reaktion des Publikums eindeutig aus: Begeisterung allenthalben.

Die nächsten Termine: 23., 29. Januar, 3., 16., 22. Februar, 1. und 30. März. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen und bei bonnticket.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort