Bundeskunsthalle Projekt mit Box-Senioren des BBC

BONN · Bei 130 Kilo macht sie schlapp. Alles, was darunterliegt, meistert die 24-jährige Künstlerin Vroni Hammerl mit bewundernswerter Kraft und Technik. Und das geht so: Menschen, die die Ausstellung "Kunststudenten und Kunststudentinnen stellen aus" in der Bundeskunsthalle besuchen, stellt sie sich wortlos in den Weg.

 Gruppenbild mit Damen und Boxern: (von links) Uta Konopke, Hans Mühlens, Vroni Hammerl, Ludwig Neff und Dierk Bruchmüller in der Bundeskunsthalle.

Gruppenbild mit Damen und Boxern: (von links) Uta Konopke, Hans Mühlens, Vroni Hammerl, Ludwig Neff und Dierk Bruchmüller in der Bundeskunsthalle.

Foto: Horst Müller

"Ich schaue ihnen fest in die Augen, sie erstarren, dann hebe ich sie hoch und setzte sie an anderer Stelle im Raum wieder ab", so beschreibt Hammerl eine Versetzung der besonderen Art, die die Nürnberger Kunststudentin "Umpositionierungsmaßnahme" und "Arbeitseingriff für die Dauer der Ausstellung" nennt.

Der abgesetzte Besucher bleibt kurz stehen, fragt vielleicht noch, ob er sich wieder bewegen darf, wird sich vielleicht bewusst, dass er für kurze Zeit Teil eines temporären Kunstwerks geworden ist. Ausstellungen würden ohne Besucher geplant, irgendwie stören sie im Bild einer aufgeräumten Schau, meint sie, da müsse man als Künstler eingreifen.

Manchmal geht es so ab wie mit dem 89-jährigen Rudi Balzuhn, der sich grinsend von Vroni Hammerl durch den Ausstellungsraum tragen lässt und die Kommentare der Kumpel überhört: "Rudi, was verdrehst du die Augen, hast du was im Sinn?" oder: "Je oller, je doller." Man kennt sich, die feixenden Herren und die junge Künstlerin, Preisträgerin dieses Jahres.

Vor Monaten war die Studentin der Nürnberger Kunstakademie nach Bonn gekommen, um vor Ort ein Thema für ihren Beitrag zu recherchieren. Irgendwann kam sie in die Stadthaus-Kneipe "Em Stadthüsje" und bemerkte den Stammtisch der Senioren des Bonner Box Clubs (BBC). "Ich habe so lange Kakao an der Theke getrunken, bis die mich angequatscht haben", erinnert sie sich an den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Die starken Männer von Bonn und die starke Fränkin waren einander sofort sympathisch. Begeistert zeigten die Box-Senioren Fotos aus der guten alten Zeit. Bald entwickelte Hammerl daraus ein bönnsches Kunstkonzept: Sie nähte für die ehemaligen Boxer, von Peter Schulze bis Ludwig Neff und Hans Mühlens, bunte kurze Hosen, bat sie darum, im Kampfdress mit nacktem Oberkörper und Boxhandschuhen vor Bonner Bauten aus der Bundeshauptstadtzeit für einen Wandkalender zu posieren.

Auf den Bildern werden heroische Boxer-Tage wieder lebendig. Die Fotografin Uta Konopke erinnert sich noch an die Shooting-Tage im April: "Das sind schon starke Kerle, bei fünf Grad mit nacktem Oberkörper, und keine Klagen." Alle hatten ihren Spaß - nur Rudi Balzuhn nicht: "Ich konnte leider nicht, war unterwegs an der Blumenriviera."

Der Frust ist verständlich, schließlich hat Balzuhn, der seit 1930 boxt, 1941 in Königsberg Juniorenmeister war, nach Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft im Ural nach Bonn kam, die meisten dieser Herren trainiert. Von 1960 bis 1969 war er als Trainer aktiv, heute ist er BBC-Ehrenvorsitzender. Dass Vroni Hammerl einen Kunststudenten-Preis für ihr Projekt gewonnen hat, freut die ehemaligen Boxer.

Es ist ja auch ein wenig ihr Preis. Und sie folgen ihr mit Blicken, wenn sie Besucher für ihre "Umpositionierungsmaßnahme" durch den Ausstellungsraum trägt. Der Kraftakt imponiert ihnen, mit der Kunst an sich können sie nicht so viel anfangen. Skeptische Fragen begleiten ihren Einsatz.

Vroni Hammerl nimmt ihre Bonner Intervention sehr ernst. Für die Ausstellungsdauer ist sie von Nürnberg nach Bonn gezogen, jeden Tag tritt sie in der Bundeskunsthalle an. Bis zum 2. Juni wird sie Besucher von A nach B versetzen, als seien es Möbel oder Skulpturen. Jeden Öffnungstag - bis auf Donnerstagvormittag. Denn da ist Boxer-Stammtisch der BBC-Senioren: um elf "Em Stadthüsje". Da will sie nicht fehlen.

Info: "Atlas 2013 - Kunststudenten und Kunststudentinnen stellen aus" in der Bundeskunsthalle; bis 2. Juni. Di, Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr. Informationen im Internet unter www.bundeskunsthalle.de und www.kunst-wettbewerb.de

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