Ausstellung im Siebengebirgsmuseum Preußens Wahn und Gloria am Rhein

Eine Vision: Lautes Hupen in Röhndorf, Reisebusse aus ganz Europa quälen sich die Hauptstraße entlang, verstopfen die Löwenburgstraße, bis sie zu einem riesigen Parkplateau gelangen.

Preußen und seine Denkmäler: Preisgekrönter Entwurf für ein Kaiserdenkmal an der Südseite des Drachenfelsens im Stich (1890).

Preußen und seine Denkmäler: Preisgekrönter Entwurf für ein Kaiserdenkmal an der Südseite des Drachenfelsens im Stich (1890).

Foto: Museum

Von dort aus strömen die Touristenheere und Grüppchen Deutschnationaler eine imperiale Treppe hinauf zum Fuß des gigantischen Kaiser-Wilhelm-Reiterdenkmals. Wie Ameisen wirken sie vor diesem wuchtigen Steinkoloss, der sich als eine Mischung aus Riesenaltar und antikem Tempel in die südliche Wand des Drachenfelsens gräbt. Das Ganze ist, wie gesagt, eine Vision, ein preußischer Albtraum, der realisiert worden wäre, hätte sich der Provinzial-Landtag durchgesetzt.

1890 hatte die Jury das beschriebene Kaiserdenkmal der Bewerber Jakobs und Wehling (Düsseldorf) auf Platz eins gesetzt. Noch gewaltiger wäre das auf Platz zwei bewertete Denkmal von Bruno Schmitz (Berlin) auf der Insel Grafenwerth geraten. Gewaltig vor der Kulisse von Drachenfels und Schloss Drachenburg aufragend, so stellte sich der drittplatzierte Wilhelm Albermann (Köln) sein Denkmal auf dem Hardtberg im Siebengebirge vor.

Der Denkmalskelch ist an unserer Region vorbeigegangen: Kaiser Wilhelm II. verfügte schließlich per "Allerhöchster Kabinets-Ordre" das "Deutsche Eck" in Koblenz als Standort. Hier kam Bruno Schmitz zum Zug, 1897 wurde dort das monströse Denkmal enthüllt - als eine der martialischen Landmarken, die an die Besetzung der Rheinprovinz durch Preußen im Zuge des Wiener Kongresses vor 200 Jahren erinnern.

"Danke Berlin", haucht derzeit eine umfangreiche Ausstellungsreihe mehr oder weniger unterwürfig in der besetzten Rheinprovinz und feiert "200 Jahre Preußen am Rhein". Im Siebengebirgsmuseum Königswinter, das an der Nahtstelle zwischen den realisierten rheinromantischen Burgenfantasien der Könige und Preußenprinzen, den politischen Denkmalsplänen im Zuge des Dreikaiserjahres 1888 und der ebenfalls hochpolitischen Vollendung des Kölner Doms als deutsche und preußische Nationalkathedrale liegt, wird das Thema besonders differenziert gewendet.

Unter dem Titel "Preußenadler über dem Rhein" begibt sich das Museum auf eine spannende Spurensuche nach Landmarken und gebauten Überbleibseln der preußischen Herrschaft. Museumschef Elmar Scheuren hat das Thema gewissermaßen aktualisiert, indem er den exzellenten Fotografen Axel Thünker auf Recherche rund um den Drachenfels schickte und die entstandenen Fotos preußischer Spuren nun in der Schau mit einer Fülle von Dokumenten aller Art konfrontiert.

Auf einer dritten Schiene sorgt der hervorragend bearbeitete Katalog für ein solides Wissensfundament. Besser kann Heimatgeschichte nicht vermittelt werden. Die Ausstellung macht Lust, sich Preußens Wahn und Gloria am Rhein intensiver zu widmen. Das liegt auch daran, dass Scheuren und sein Team die Ambivalenz dieser an Segnungen reichen, aber eben auch an Widerständen und Repression nicht armen Zeit beleuchten.

Denkmäler belegen das: Hier die martialischen Pläne der Preußen für Kaiser-, Bismarck- und Blücherdenkmäler, dort die Zugeständnisse an lokale Größen wie den linientreuen Königswinterer Poeten Wolfgang Müller, in dessen ziemlich schauerlichem Jubelgedicht sich "Ehr" auf "Heer" und "hehr" auf "Hohenzoller" reimt. Probleme gab es mit mit dem Beueler Gottfried Kinkel. Nachdem sich das 1871 gegründete Deutsche Kaiserreich konsolidiert hatte, gab es Bestrebungen, die Animositäten zwischen Rheinländern und Preußen zu begraben und die mitunter renitenten Rheinländer als vollwertiges Glied "im Reigen deutscher Stämme" zu begrüßen.

Vor diesem Hintergrund wollte man lokalen Literaten Denkmäler setzen. Karl Simrock, Nikolaus Becker und besagter Müller bekamen eines. Mit Kinkel, dem Poeten, überzeugten Demokraten und "roten" Republikaner, taten sich die Preußen indes schwer. Man sammelte für ein Denkmal, nicht ohne auf die "politischen Irrgänge" des Geehrten zu verweisen. Es ging ausdrücklich um das Denkmal für den Dichter Kinkel, nicht für den Märtyrer der Revolution, als der er nach der Verhaftung durch die Preußen galt. Der im Zürcher Exil gestorbene Demokrat blickt heute von seinem 1906 in Bonn-Oberkassel eingeweihten Denkmal: "Dem rheinischen Dichter Gottfried Kinkel - Das deutsche Volk".

Siebengebirgsmuseum Kölnigswinter, Kellerstraße 16; bis 18. Oktober. Di-Fr 14-17, Sa 14-18, So 11-18 Uhr. Katalog (Bouvier) 19,90 Euro. Museumsfest: 15. August, ab 14 Uhr.

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