Premiere im Contra-Kreis-Theater Kalle Pohl spielt in der Komödie „Floh im Ohr“

Bonn · Ungeahnte Laster und Gelüste: Manche der munter verstreuten Bonmots und Anspielungen sind nicht ganz so jugendfrei. Standing Ovations gibt es trotzdem.

 Frech und frivol: Kalle Pohl und Mia Geese in Georges Feydeaus „Floh im Ohr“.

Frech und frivol: Kalle Pohl und Mia Geese in Georges Feydeaus „Floh im Ohr“.

Foto: CKT

Camille wäre gern Elvis und legt ab und zu dessen Schallplatten auf. Das Hausmädchen Antoinette findet seinen Sprachfehler süß und gibt sich heimlich gern dominant. Madame Chandebise ist frustriert von ihrer ereignislosen Ehe und dem ledigen Hausfreund Dr. Finache zugeneigt. Dieser Mediziner hat einen ausgeprägten Sinn fürs weibliche Geschlecht. Nur Monsieur Chandebise, wirtschaftlich erfolgreicher Versicherungschef im fortgeschrittenen besten Alter, hat fast nichts zu verbergen. Außer einer hartnäckigen Schwäche im Bett: „Versuchen Sie mal, Mikado mit gekochten Spaghetti zu spielen!“

Manche der munter verstreuten Bonmots und Anspielungen auf Regionen unter der Gürtellinie sind nicht ganz so jugendfrei in der Inszenierung von Jan Bodinus, die im Dezember am Schlosstheater Neuwied herauskam und nun im Contra-Kreis ihre umjubelte Premiere feierte. Bodinus führte hier kürzlich schon Regie bei der Komödie „Der Mustergatte“.

Victor Chandebise ist ein echter Mustergatte: hoch kultiviert und ehelich treu. Aber er hat einen Doppelgänger, der in dem stadtbekannten Etablissement „Zum galanten Pussikätzchen“ als Portier Poche dient. Meistens nicht nüchtern und jeder Form von Arbeit eher abgeneigt. Das führt zu rasanten Verwechslungen, die ein Erzkomödiant wie Kalle Pohl in einer der schönsten Doppelrollen des klassischen Boulevardtheaters brillant meistert.

Mit sorgfältig gekämmtem Grauhaar und elegantem Gehrock ist er der bürgerlich brave Patriarch, mit Strubbelfrisur und Pagenjacke in sekundenschnellem Wechsel der versoffen grantige Typ in der Pförtnerloge, der über Treppen stolpert („Wenigstens die Stufen hätte man weglassen sollen“) und auch mal kurz die konventionelle vierte Wand des Theaters anspielt. Pohl, der im Contra-Kreis auch schon „Charleys Tante“ hinreißend verkörperte, erscheint hier tatsächlich verdoppelt und macht das mit solch genialem Esprit, dass man den grotesken Volten der Handlung von „Floh im Ohr“ höchst vergnügt folgt.

Die 1907 in Paris uraufgeführte Komödie von Georges Feydeau, einem der letzten großen Autoren des populären Vaudeville mit all seiner frechen Frivolität, ist nicht ohne Grund eins der Glanzstücke der späten Belle Epoque und auf deutschsprachigen Bühnen weiterhin recht präsent. Hinter der bürgerlichen Salonfassade lauern Geheimnisse wie von Sigmund Freud, analysiert von Arthur Schnitzler und ins Absurde überdreht. Hinter dem rotsamtenen Theatervorhang im Hintergrund verbergen sich ungeahnte Laster und Gelüste (Ausstattung: Christian Baumgärtel).

Den Floh ins Ohr gesetzt haben Colette Chandebise (wunderbar zwischen Anstand und erotischer Abenteuerlust: Petra Kalkutschke)  die Hosenträger ihres Gatten, vom aufmerksamen Poche dem Besitzer per Post zurückgeschickt. In einem solchen Notfall von Eifersucht braucht Frau eine beste Freundin wie Lucienne (herrlich streng mit Brille und eingefrostetem Charme: Fabienne Hesse). Deren spanischer Gatte Carlos (wie ein Stierkämpfer im ultimativen Blutrausch: Dimitri Tellis) hat nicht nur großes Kaliber in der Hose, sondern auch ein beeindruckendes Schusswaffenarsenal. Puffmutter Brigitte (herzhaft  unverschämt: Beatrice Kops-Zurmahr) braucht da neben ihren scharfen Krallen auch mal handfeste Durchschlagskraft.

Immerhin gehört die reizende Amazone Antoinette (mit Peitsche und sonstigen SM-Instrumenten: Mia Geese) vermutlich zu ihren Stammgästen. Victors Neffe Camille (virtuos verstört: Sören Ergang) trägt irgendwann Handschellen. Der Hausarzt (als unerschütterlicher Schürzenjäger: Stefan Gabelhoff) trägt stramme Sockenhalter zur nicht minder gruseligen Unterwäsche. Er nimmt, was zu haben ist, und „untersucht“ zwischendurch auch mal die russische Putzfrau (Olga Siegwald).

Wie es sich bei Komödien gehört, weiß das amüsierte Publikum immer mehr als die durchgeknallten Typen auf der Bühne. Die machen in rund zweieinhalb Stunden (inkl. Pause) jedoch fix perfekte Methode aus der schlüpfrigen Vorlage. Standing Ovations bei der ausverkauften Premiere.

Nächste Vorstellungen fast täglich bis zum 22. März. Karten u.a. bei Bonnticket.

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