Patti Smith im Kölner Tanzbrunnen Predigerin der Rebellion

Köln · Vor 40 Jahren erschien "Horses", das Debütalbum der heute 68 Jahre alten "Grandmother of Punk". Es gilt als Patti Smiths wichtigstes Album, da es die Tore für New Wave und Punk weit aufriss. In die Entscheidung, das Album als Ganzes aufzuführen, mischen sich Stolz auf ihren Durchbruch als Musikerin und Trauer um die Freunde, die Patti nicht mehr begleiten können.

 "Wir sind weiter Träumer, die die Welt verändern können!": Patti Smith und Gitarrist Lenny Kaye in Köln.

"Wir sind weiter Träumer, die die Welt verändern können!": Patti Smith und Gitarrist Lenny Kaye in Köln.

Foto: Thomas Brill

Robert Mapplethorpe, ihr Freund und für eine Zeit lang Geliebter, starb bereits 1989. Er schuf das ikonographische Cover, das die Künstlerin als androgyne junge Frau zeigt, die herausfordernd in die Linse des Fotografen blickt. Ein Moment, der exakt ihre Intentionen und ihre Attitüde einfangen konnte. "Ich war ein dürres Mädchen, aber ich hatte diese ?Don't f..k with me'-Einstellung. Ich wollte Lyrik mit der Energie meiner Generation aufladen. Das war Rock 'n? Roll, der für mich sexuelle Energie, Revolution und politisches Statement bedeutete."

Aber kann man als Großmutter, die sie heute tatsächlich ist, noch authentisch Sex und Rebellion zelebrieren? Eine Frage, die bereits das erste Stück, das Van Morrison-Cover "Gloria" beantwortet. Smith lädt es mit jener sexuellen Schwüle und Anzüglichkeit auf, die es zur Hymne für die Frauenbewegung werden ließ. Das Bekenntnis "Jesus died for somebody's sins, but not mine" singt sie langsam, jedes Wort betonend. Ihre dunkler gewordene Stimme steigert sich unter dem pochenden Rhythmus der Band, bis sie ihre Begierde herausschleudert "Sie sieht so gut aus, und ich habe das verrückte Gefühl, ich muss sie gewinnen. - Es mag Sünde sein, aber es ist meine Entscheidung, dafür hat Jesus nicht die Verantwortung zu übernehmen."

Immer wieder wechseln flammend-obsessive Rasereien mit elegischen, melancholischen Momenten - manchmal in einem Stück. In "Land/Horses" erzählt sie von "Johnny", dessen Name sie so eindringlich betont, dass die Zuhörer unwillkürlich mitsingen. Sie erzählt seine Geschichte immer treibender, um sie schließlich in "Gloria" aufzulösen. Die Band um die Urmitglieder Lenny Kaye (Gitarre) und Jay Dee Daugherty (Drums) nimmt die rasende Geschwindigkeit auf und führt sie mit schlagenden Akkorden zum dramatischen Ende. Die Patti-Smith-Band heute ist musikalisch gereifter und versierter als früher. Man weiß, wie man mit guter Gitarrenarbeit ein Stück zu verzieren vermag. Peitschende Akkorde sind keine handwerkliche Verlegenheit sondern bewusstes Gestaltungsmittel.

Das letzte Stück "Elegy" war bereits 1975 eine Hommage an Jimi Hendrix gewesen, in dessen Electric Ladyland-Studio "Horses" aufgenommen wurde. Patti Smith nutzt es, um an all jene zu erinnern, die sie verloren hat, Robert Mapplethorpe, die Ramones, ihren Mann Fred Sonic Smith, Lou Reed, der Mathematiker John Nash, Ornette Coleman. Nach eineinhalb Stunden beendet sie ein beeindruckendes Konzert mit dem Who-Cover "My Generation", mit dem sie symbolisch alles Leid und alle Ungerechtigkeit der Welt zerschlägt. Dabei gehen zwei Saiten ihrer E-Gitarre zu Bruch. Sie reckt die Fäuste: "Wir sind weiter Träumer, die die Welt verändern können!" Patti Smith ist die Predigerin der Rebellion geblieben, die sie stets war.

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