Plattenbauten und ein Pinguin auf Sinnsuche

Andrej Kurkow und Juri Andruchowytsch halten eine Lesung im Bonner Funkhaus der Deutschen Welle

  Ukraine literarisch:  Andrej Kurkow und Juri Andruchowytsch mit Moderatorin Ute Schaeffer

Ukraine literarisch: Andrej Kurkow und Juri Andruchowytsch mit Moderatorin Ute Schaeffer

Foto: Frommann

Bonn. Es war eine literarische Reise der besonderen Art, auf die die beiden ukrainischen Autoren Andrej Kurkow und Juri Andruchowytsch die Zuhörer mitnahmen. Sie durchstreiften bei ihrer Lesung im Bonner Funkhaus der Deutschen Welle verschiedenste Orte ihrer Heimat, und gewährten so einige Einblicke in den neuen, vielen so unbekannten östlichen Nachbarn der Europäischen Union: die Ukraine.

Sie bildet die literarische Quelle der Autoren, obwohl beide mittlerweile sowohl in Ost- als auch in West-Europa zu Hause sind. So ist es auch wenig verwunderlich, dass sie dann auch in deutscher Sprache vorlesen. Doch trotz aller Gemeinsamkeiten unterscheiden sich ihre Sichtweisen und Schreibstile deutlich voneinander.

Der in Kiew geborene Kurkow verschafft dem Leser in seinem vierten Roman "Pinguine frieren nicht" eine erneute Begegnung mit den beiden Helden, dem Tagträumer Viktor und dem Königspinguin Mischa. Der ist plötzlich verschwunden, und so macht sich Viktor auf die Suche nach seinem tierischen Freund, gerät dabei in die Fänge der ukrainischen Mafia und landet schließlich sogar in Tschetschenien.

Dieses moderne Märchen lädt mit seinem grotesken Humor häufig zum schmunzeln ein. Aber auch ein gehöriger Schuss Gesellschaftskritik fehlt nicht. "Mischa steht für die sowjetischen Leute", erläutert Kurkow. "Wenn man einen Pinguin von der Gruppe isoliert, wird er orientierungslos, wie die Sowjets, früher gefüttert vom Kollektiv und plötzlich sind die Käfige offen, aber es gibt nichts mehr zu essen."

Weniger märchenhaft, als vielmehr analytisch ist der Galizier Andruchowytsch dagegen auf der Spur nach den Trennlinien zwischen Europa und "etwas anderem." In seinem Essay-Band "Das letzte Territorium", und in seinem neuen Werk "Mein Europa" geht es aber auch um eine mögliche Verständigung über Grenzen hinweg.

So sinniert er über die zwei Gesichter der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk, in der er lebt. Da ist das Leben bunter geworden, gibt es schöne Jugendstilvillen und Kathedralen, das "Stanislauer Phänomen". Doch da sind auch die "Plattenbauten, Krebsgeschwüre einer spätsowjetischen Stadtplanung". Es sind zwei Städte in einer, und doch bleibt es im Grunde eine einzige Stadt.

Trotz Unterschiede, waren sich die beiden Literaten einig: "In der Ukraine gibt es keine Zensur, weil die Literatur da als so unwichtig angesehen ist, und es gibt da viele neue Schriftsteller, aber nicht genug neue Leser."

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