Familienoper "Pinocchios Abenteuer" bietet viel für Auge und Ohr

BONN · Mit der Wahrheit will es der kleine hölzerne Lausbub nicht so sehr genau nehmen. Es wird nur ein bisschen peinlich für ihn, dass seine Nase, als die Blaue Fee ihm ein paar Fragen stellt, bei jeder Antwort ein gutes Stück in die Länge wächst.

 Politisch nicht korrekt: Pinocchio (Susanne Blattert) hat keine Lust auf Schule.

Politisch nicht korrekt: Pinocchio (Susanne Blattert) hat keine Lust auf Schule.

Foto: Thilo Beu

Natürlich lassen sich der britische Komponist Jonathan Dove und sein Librettist Alasdair Middleton in ihrer Bühnenadaption von Carlo Gollodis Kinderbuchklassiker "Die Abenteuer des Pinocchio" diese hübsche Szene nicht entgehen.

Überhaupt scheinen sie sich ganz vernarrt zu haben in die Vielzahl der Einfälle, die Gollodi vor seinem Lesepublikum ausbreitet. Und in den überlangen drei Stunden, die Doves Oper "Pinocchios Abenteuer" dauert, haben sie auch eine Menge fantastischer Szenen unterbringen können: Auf der Bühne des Bonner Opernhauses herrscht ein buntes Gewusel mit Menschen, Tieren, Sensationen - und einem großen grünen Fischersmann inklusive.

Das hat Regisseur Martin Duncan, der seit der Uraufführung 2007 in Leeds auf das Stück abonniert ist, in dem wunderbaren, sehr wandelbaren Bühnenbild von Francis O'Connor umgesetzt. Die Augen gehen einem schier über vor den vielen Bildideen, mit dnen die aus Holzbrettern zusammengezimmerte Einheitsbühne immer wieder neu gefüllt wird. Allein die Massenszenen der Spaßland-Episode sind eine echte Augenweide, die Walszene pure Theatermagie. So etwas kennt man sonst eher von aufwendigen Musical-Produktionen.

Aber "Pinocchios Abenteuer" ist eben doch kein Musical mit hübschen, eingängigen Melodien, sondern echte Oper. Die vom Beethoven Orchester unter Leitung von Johannes Prell in schillernden Farben und rhythmischem Drive gespielte Musik von Jonathan Dove speist sich überwiegend aus Quellen der längst klassisch gewordenen Moderne. Strawinsky und Prokofjew etwa oder auch Benjamin Britten standen hier Pate. Und auch der Amerikaner John Adams hat im "Pinocchio" tiefe Klangspuren hinterlassen. Instrumente wie Akkordeon oder Mandoline sorgen zudem für ein paar exotische Tupfer im orchestralen Klanggeschehen.

Der permanente Sprechgesang in dieser durchkomponierten Oper stellt für die Sängerin der Titelrolle eine echte Herausforderung dar. Susanne Blattert, die beinahe immer auf der Bühne präsent ist, verdient allerhöchstes Lob, weil sie die Partie nicht nur stimmlich glänzend beherrscht, sondern in gemasertem Holzkostüm die linkischen Bewegungen der Puppe auch unglaublich echt aussehen lässt.

Wie überhaupt Duncan auf charakteristische Bewegungsabläufe bis in die Massenszenen (mit dem von Volkmar Olbrich musikalisch glänzend vorbereiteten Chor) hinein größten Wert legt. Auch die akrobatischen und choreografischen Einlagen sind toll.

Als Pinocchios "Vater" Geppetto singt sich Boris Beletskiy in die Herzen des Publikums. Die Blaue Fee wird von Judith Kuhn mit feinen Nuancen gesungen, Stefanie Wüst ist eine hübsch-hibbelige Grille. Tamás Tarjanyi gibt den spaßorientierten Lampwick mit hellem Tenor. Der Fuchs erhält durch den Countertenor Jakob Huppmann einen ebenso bösen Anstrich wie der Kater durch den Tenor Taras Ivaniv.

Anjara I. Bartz ist als Schnecke und Taube begeisternd dabei. Viele weitere Solisten ergänzen das Ensemble auf hohem Niveau. Doch bei allen Meriten dieser Aufführung bleibt die Frage, ob dieser "Pinocchio" nicht doch zu lang und - zumindest für die ganz jungen Theatergänger - zu anspruchsvoll ist. Acht der insgesamt 13 Folgevorstellungen beginnen um 19.30 Uhr. Wenn der Vorhang dann um 22.30 Uhr fällt, werden viele Lider längst geschlossen sein. - Aber: Bei der nicht ausverkauften Premiere am Sonntagabend gab es großen Beifall für die Beteiligten - auch für den anwesenden Komponisten.

Weitere Vorstellungen: 8., 15., 26., 28. Dezember 2013, 11., 19., 25., 31. Januar 2014, 9., 13. Februar, 8., 22., 29. März; Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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