Beethovenhalle in Bonn Pianist András Schiff beginnt seinen Sonaten-Zyklus

BONN · Eine Szene mit Symbolwert: Zielstrebig, aber ohne Eile geht András Schiff auf dem Podium der Beethovenhalle zum Flügel, kaum eine Verbeugung, auch nachdem er gespielt hat. Abtritt, Auftritt, weiter geht's. Hoch konzentriert arbeitet der Pianist sein Pensum beim ersten Konzert seines Sonaten-Zyklus im Rahmen des Beethovenfestes ab, anscheinend immun gegenüber äußeren Einflüssen wie Applaus.

 András Schiff in der Beethovenhalle. Dem Konzert hörten auch 20 Jugendliche zu, die bei einer Schulverlosung des General-Anzeigers Freikarten gewonnen und vor Konzertbeginn durch Festivalintendantin Ilona Schmiel eine Einführung erhalten hatten.

András Schiff in der Beethovenhalle. Dem Konzert hörten auch 20 Jugendliche zu, die bei einer Schulverlosung des General-Anzeigers Freikarten gewonnen und vor Konzertbeginn durch Festivalintendantin Ilona Schmiel eine Einführung erhalten hatten.

Foto: Barbara Frommann

Er nimmt das zwar zur Kenntnis, für ihn zählt aber nur die Musik. Und die besitzt bei Schiff eine magische Tiefe, eine unglaubliche Konzentration und Reflektiertheit, die wirklich bei jedem Ton zu spüren sind. Keine Beiläufigkeiten, keine Effekthascherei, nein, alles ist so präzise und überlegt platziert, dass das Zuhören nicht für den Bruchteil einer Sekunde langweilig wird.

Selbst die schlaff und kraftlos wirkenden Akkorde am Beginn des Kopfsatzes der G-Dur Sonate aus op. 31 bekamen im Kontrast zum Hauptthema ihren Sinn, und auch der lakonische Schluss des Finales erschloss sich im Gesamtzusammenhang. Die Kontraste in der sogenannten Sturm-Sonate op. 31, 2 etwa fuhr Schiff voll aus, überstürzte dabei jedoch nichts, ja nahm den Finalsatz fast bedächtig. Wie unglaublich differenziert Schiff spielt, erkennt man an vielen Details: Triller stimmen bis auf den letzten Nachschlag, Arpeggien sind alles andere als beiläufig, und auch die klangliche Gewichtung der Harmonietöne hat System.

So erfahren, was besonders in der dritten Sonate aus op. 31 auffiel, Leittöne stets eine besondere Beachtung und führen zielstrebig auf die nachfolgende Auflösung - oder einen Trugschluss - hin. Hier kommt auch das besondere Moment des historischen Bechstein-Flügels ins Spiel, der einen unglaublich singenden Charakter hat, anders als manch diskantlastige Tonschleuder neueren Datums.

Auch die abschließend gespielte Waldstein-Sonate offenbarte Schiffs individuelle Kunst. Im Kopfsatz etwa ließ er die Überleitung zur Durchführung trotz der sonoren Tiefe überaus klar und hellsichtig aufsteigen. Das Finale wirkte mit den ungewöhnlich langsamen Tempi zuerst etwas distanziert, doch hielt Schiff den Spannungsbogen mit schier unglaublicher Präsenz bis zum letzten Ton durch.

Nein, das, was András Schiff in der Beethovenhalle vollbringt, das ist keine normale Interpretation, es ist die Essenz aller Interpretationen, ein perfekt bis auf das letzte Jota durchdachter Beethoven, die reife Ernte eines lebenslangen interpretatorischen Prozesses.

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