Bundeskunsthalle Patricia Klobusiczky stellt erste Biografie über Helen Hessel vor

BONN · "Ich interessiere mich für faszinierende und moderne Frauen wie sie", sagt Barbara Weidle, die Programmleiterin des Bonner Literaturhauses, über Helen Hessel. Diese beiden Attribute lassen sich übrigens auch auf Barbara Weidle selbst übertragen, aber das nur am Rande.

 Buchtitel der neuen Biografie über Helen Hessel.

Buchtitel der neuen Biografie über Helen Hessel.

Foto: dpa

Die Bonner Verlegerin setzt ihre Begrüßung in der gut besuchten Lounge der Bundeskunsthalle fort. "Sie war eine durch und durch unkonventionelle, besitzergreifende Frau", sagt sie über Helen Hessel, die als Vorbild für die Figur der Cathérine in François Truffauts Filmklassiker "Jules et Jim" gilt. Der Kinoverweis ist sicherlich die griffigste erste Zuordnung, bei der es freilich nicht bleiben sollte.

Im Gespräch mit ihrer Berufskollegin Almuth Voß vom Literaturhaus stellt Übersetzerin Patricia Klobusiczky die erste Biografie über Helen Hessel vor. "In Frankreich ist diese Frau präsenter als in Deutschland, hier kennt sie fast keiner", sagt Klobusiczky. Sie hat das 2011 erstmals veröffentlichte Buch der Autorin Marie-Françoise Peteuil aus dem Französischen übersetzt; die deutsche Ausgabe ist kürzlich bei Schöffling erschienen.

Puzzleteile aus Helen Hessels spannendem Leben, das von 1886 bis 1982 währte: Schülerin von Käthe Kollwitz, journalistische Pionierin als Modekorrespondentin der Frankfurter Zeitung in Paris, Widerstandskämpferin, von Adorno in höchsten Tönen gelobte Verfasserin von Glossen und Artikeln, Freundin von Aldous Huxley, Malerin und Kunstliebhaberin, Übersetzerin der deutschen Erstausgabe von Nabokovs "Lolita" . Von diesen Künstlern "empfing sie die Energie, die für sie lebensnotwendig war", formuliert Peteuil in ihrer Biografie, aus der Klobusiczky Schlüsselstellen vorlas.

Rainer Maria Rilke schrieb ein Gedicht für Helen Hessel, die in Paris den Schriftsteller Franz Hessel heiratete, woraus sich eine nahezu leidenschaftslose Ehe entspann. Eine Amour fou verband sie hingegen mit Franz' bestem Freund, Henri-Pierre Roché. Ihr Liebhaber brachte sie nicht nur zum Schreien, sondern schließlich auch zum Schreiben. "Sie war hochintelligent und analytisch und hatte eine sinnlich-lebendige Art, sich auszudrücken", erklärt Patricia Klobusiczky.

Warum aus Helen Hessel keine Schriftstellerin geworden ist? Eine gute Frage, auf welche die langjährige Lektorin und ehemalige Programmleiterin bei Rowohlt eine stimmige Antwort weiß: "Sie hatte den Blick auf die Welt, sie hatte die Sujets, sie hatte das Schreibtalent, aber letztendlich hat sie sich zu sehr von der Welt ablenken lassen." Auch die eigene Malerei vertiefte sie nicht, wohl aus Unzufriedenheit über das, was sie auf die Leinwand brachte. "Eine Künstlerin ohne Werk", konkludiert Klobusiczky so nüchtern wie treffend.

Verglichen mit der französischen Originalausgabe ist die deutsche Fassung dichter an Helen Hessel. Klobusiczky las in zwei Monaten sämtliche Quellen, die Peteuil ausgewertet hatte, und nahm sehr viel mehr deutsche "O-Töne" aus der Feder Helen Hessels auf. In diesem Punkt habe sie mit Peteuil "ganz, ganz hart gerungen", berichtet die Übersetzerin.

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