Passt ein drittklassiges Theater zur UN-Stadt?

Die Vorschläge der Bonner Verwaltung zur Zukunft des Theaters sorgen für Diskussionen - Die Kammerspiele sind extrem gefährdet, und die Vertragsverlängerung für Klaus Weisen fraglich

Passt ein drittklassiges Theater zur UN-Stadt?
Foto: Beu

Bonn. Das hatte sich der Bonner Kulturdezernent Ludwig Krapf wahrscheinlich so schön vorgestellt: Bonns Theaterzukunft sollte nach Konklave-Art hinter verschlossenen Türen beraten werden, um der überraschten Öffentlichkeit dann Mitte des Jahres dann ein Gesamtpaket mit Personal- und Strukturentscheidungen zu präsentieren. Daraus wird jetzt nichts mehr.

Die Vorschläge der Verwaltung liegen auf dem Tisch - die Gewerkschaft ver.di hat sie publik gemacht. Kernpunkte: Generalintendant Klaus Weise spielt in den Überlegungen von Krapf offenbar keine große Rolle mehr, die Kammerspiele in Bad Godesberg sind extrem gefährdet, und eine eigene Sparte Tanztheater soll es in Bonn mit Beginn der Spielzeit 2008/2009 nicht mehr geben.

Hintergrund des Ganzen ist die Spardiskussion um Oper, Schauspiel und Konzert in Bonn. Generalintendant Klaus Weise arbeitet gegenwärtig mit einem Etat von 35,4 Millionen Euro, sein Vorgänger Manfred Beilharz konnte in der Spielzeit 1999/2000 beispielsweise noch mit fast 50 Millionen Euro wirtschaften.

Doch Bonn will (und muss) nach Wegfall der Bundesmittel für die Kultur weiter sparen. Es gibt die verschiedensten Ansätze für die Subventionierung des Theaters, die derzeit im Vertrag von Weise bei rund 29 Millionen Euro liegt.

Der Kämmerer tendiert zu 2,7 Millionen, die Bonner Ampel-Koalition möchte rund fünf Millionen bei der Kultur einkassieren, Gutachter sehen ein Sparpotenzial von fast 10 Millionen Euro - was freilich ein anderes Theater als jetzt zum Ergebnis hätte.

Die Verträge von Generalintendant Klaus Weise und Generalmusikdirektor Roman Kofman laufen bis Mitte 2008; bis zum 30. Juni dieses Jahres müssen beide wissen, ob man verlängern will oder nicht. Der Stadt erscheint das als der ideale Zeitpunkt, um jetzt Personal- und Strukturfragen in einem zu lösen.

Was die Leitung des Bonner Theaters angeht, so bietet Krapf der fraktionsübergreifenden Bonner Theaterkommission zwei Modelle an. Das eine sieht einen Generalintendanten vor, von dem es heißt: "Präferiert wird eine Persönlichkeit aus dem Musiktheater"; ein Schauspieldirektor soll ihm zur Seite stehen.

Diese Lösung hört sich nicht nach Klaus Weise an, der aus dem Schauspiel kommt. Verstärkt wird der Eindruck noch dadurch, dass in der Krapf-Vorlage eigene Regiearbeiten des zukünftigen Intendanten als nicht besonders wichtig eingestuft werden. In Modell zwei sollen "die Bereiche Oper, Schauspiel und Orchester künstlerisch eigenverantwortlich und gleichberechtigt geleitet" werden.

Hier heißt es: "Schwerpunkt soll die künstlerische Gesamtleitung der Sparte Oper sein. Hier gilt es, eine enge programmatische Zusammenarbeit der Internationalen Beethovenfeste zu etablieren", was für manche Beobachter danach klingt, als wolle man für Festival-Intendantin Ilona Schmiel eine Opernintendanz zurechtstricken. Zum Ballett schließlich ist für beide Varianten nur schlicht vermerkt: "Es wird davon ausgegangen, dass es ab 2008/2009 keine separate Sparte Tanztheater mit eigenem Ensemble mehr geben wird."

Das ist die personelle Seite. Auf der strukturellen beherrscht die Frage nach der Zukunft der Kammerspiele in Bad Godesberg die Diskussion. Willi Ganser, der Vorsitzende des Personalrats (Proso) für Oper, Choreographisches Theater, Schauspiel und Orchester, sagte am Montag: "Nach unseren Informationen aus Politikerkreisen gibt es eine Tendenz, die Kammerspiele dichtzumachen."

Einen kostenintensiven Neubau hält er für unwahrscheinlich, die Verlagerung von ein paar Schauspielproduktionen auf die Opernbühne für nicht durchdacht. Bei weiteren Sparmaßnahmen, so der Personalrats-Vorsitzende, kann das Theater sein Angebot sowohl qualitativ wie auch quantitativ nicht halten.

Ganser: "Passt ein drittklassiges Theater zur UN-Stadt Bonn?" Vor allem stört den Vorsitzenden, dass im Gegensatz zu früheren Diskussionen der Personalrat nicht eingebunden ist: "Die Motivation schwindet, weil die Stadt jede Zusammenarbeit verweigert und nicht informiert." Kulturdezernent Krapf will die Mitarbeiter-Vertretung erst dann auf den aktuellen Sachstand bringen, "wenn eine komplette Verwaltungsmeinung vorliegt."

Diskussionen über die Theaterzukunft scheinen in Bonn nicht erwünscht zu sein. Das sieht auch Professor Kurt P. Tudyka so, der Begründer und Sprecher des "Initiativkreises pro Kammerspiele", der in kurzer Zeit bereits 4 500 Unterschriften zum Erhalt der Spielstätte in Bad Godesberg gesammelt hat. "Die Stadt", sagt Tudyka, "wehrt sich gegen jede Diskussion. Es herrscht ein Klima der Einschüchterung." Dazu passt, dass der Kulturdezernent für eine Veranstaltung in den Kammerspielen derzeit "keinen Diskussionsbedarf" sieht.

Wie schlecht es um die Zukunft der Kammerspiele tatsächlich ausschaut, belegt ein Zitat aus dem Protokoll der Theaterkommission: "Die Verwaltung wird gebeten, Möglichkeiten einer kulturellen Anschlussnutzung der Kammerspiele zu prüfen. Ein Kammerbühnenneubau wird aufgrund der deutlichen Reduzierung des Einspareffektes für nicht durchsetzbar gehalten."

Und auch diese Kommission, die sich ausschließlich aus Politik und Verwaltung zusammensetzt, steht jetzt in der Kritik. Adil Laraki von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger sagt es am Montag im Bonner Theater ganz unverblümt: "Diese Kommission hat von Theaterstruktur keine Ahnung. Es ist ein Unding, dass keine Experten dabei sind. Mehr noch: Es ist ein Skandal."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Bonner Chaostage"

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