Mathematisches Institut der Uni Bonn Oswald Egger stellt seinen angestrengten Prosaband "Euer Lenz" vor

BONN · Der Rudolf-Lipschitz-Hörsaal im Mathematischen Institut der Bonner Universität besitzt eine gravitätische Aura. Dekor-Eichenparkettboden, Kassettendecke, Stühle mit dunkelgrünen Lederpolstern; holzvertäfelte Wände, die korinthische Säulen inkludieren. Die Wortgirlanden, die sich aus den Lautsprechern kräuseln, sind nicht minder opulent angestrengt.

Am Mikrofon: Schriftsteller Oswald Egger, dem für dieses Jahr die Thomas-Kling-Poetikdozentur an der Bonner Uni angetragen worden ist. Und die er selbstredend angenommen hat. Nun ist der 1963 in Lana (Südtirol) geborene und mittlerweile auf einer früheren Raketenstation bei Neuss residierende Autor auf Einladung des Bonner Literaturhauses in jene historistische hölzerne Wabenzelle an der Endenicher Allee gekommen und liest aus seinem neuesten Erguss: "Euer Lenz".

Für diese Prosasammlung hat die Literaturkritik keine Schublade parat. Deshalb handelt es sich aber nicht automatisch um das brillante Meisterwerk eines unorthodoxen Verskünstlers. Eggers losgelöster, geradezu entrückter Parcours durch alpenländische Flora-und-Fauna-Tableaux bewegt sich zwischen faszinierend organischer Dichtkunst und entfesseltem Manierismus; die pure Zurschaustellung von Alliterationen und maximal verschrobenen Wortkaskaden scheint stets nur einen Katzensprung entfernt.

Kostproben: "Ich bin ein so erpichter Spitzkopf-Sittich-Wicht", "Ich fürchte mich vor Würmern, ich ziehe sie Wimpern-blind ringelig", "Das Herbstheu wird lange reichen, nicht riechen". Zwischendurch grunzt Egger, dann brummt er, grummelt, schnauft, ächzt, brabbelt Unverständliches. Seine Germanistikstudentinnen im Auditorium sind sichtlich entzückt. Das Werk endet mit der Erkenntnis: "Ein Kuckuck will mich pflücken, ich muss eine Beere sein." Hasch mich, ich bin der Frühling!

Im anschließenden Gespräch mit Thomas Fechner-Smarsly sonnt sich Egger im Selbstbild des verkopften Gedankendompteurs ("Was war noch einmal gleich die Frage?") und sinniert über "unausgeführte Untererzählungen" im Textkorpus. Suhrkamp hat den drolligen Feld-, Wald- und Wiesentrip in einer nummerierten und signierten Auflage von 1000 Exemplaren herausgebracht.

Info: Oswald Egger: Euer Lenz. Suhrkamp, 238 Seiten, 48 Euro

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