Glosse Olympische Dichtkunst

Bonn · Der Schriftsteller Ilja Trojanow hat sich in allen olympischen Disziplinen versucht, darüber ein Buch geschrieben und sagt jetzt Sätze wie "Sport hat etwas Religiöses"

 Der deutsche Schriftsteller Ilija Trojanow.

Der deutsche Schriftsteller Ilija Trojanow.

Foto: picture alliance / dpa

Sportler-Statements etwa vor dem Mikro zeichnen sich meist durch eine gradlinige sprachliche Ökonomie – mitunter Schlichtheit – aus, gehen auf den Punkt, treffen ihn mitunter auch. „Ich geb‘ euch kurze Antworten, dann müsst ihr nicht so viel schreiben“, hat Lukas Podolski einmal bei einer Pressekonferenz gesagt. Es gibt schlaue und blöde Sprüche aus der Welt des Sports, unverständliche, unfreiwillig komische, vollkommen redundante. Aber nie derart verschwurbelte und mit einer bestürzenden Banalität zutage tretende, wie die Einlassungen, die der Hypersportler Ilja Trojanow jetzt in einen Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) von sich gegeben hat. Beim Sport gehe es darum, „an Grenzen heran und über Grenzen hinaus zu gehen“. Aha. Das meint der Mann, der sich in den letzten Jahren in allen olympischen Disziplinen ausprobiert und darüber ein Buch geschrieben hat, das bei der Kritik ganz ordentlich besprochene „Meine Olympiade“ (S. Fischer Verlag, 22 Euro).

Trojanow ist ein exzellenter Autor, seine im Interview geäußerten Gedanken lassen uns aber eher ratlos zurück. Sind sportliche Übungen wirklich „Rituale der Selbstvergewisserung“, wie er meint, und hat Sport wirklich „etwas Religiöses“? Maradonnas „Hand Gottes“ hatten wir ja schon. Trojanow aber meint etwas anderes: „Sport ist eine regelmäßige Übung, die den Menschen Heimat verschafft. Sportler suchen nach der kompletten Versenkung in eine Tätigkeit, ähnlich wie bei einer Meditation oder in einem Gebet.“ Möglicherweise ein bislang unbeschrittener Weg, ohne Doping zu Höchstleistungen zu kommen.

„Beim Wildwasserkajak spürt man die lebensnahe Abwechslung von Kontemplation und dramatischen Situationen“, sinniert der Dichtersportler, „Bogenschießen hingegen ist die reine Meditation: Man muss in einen inneren Monolog kommen, jeden störenden Gedanken abschalten, um gänzlich in der Übung zu sein.“ So blumig spricht jemand, der jeden störenden Gedanken ausgeschaltet hat. Und das führt auch zur bahnbrechenden Erkenntnis: „Die Olympischen Spiele der Neuzeit haben längst nichts mehr mit Idealen aus der Antike zu tun.“ „Jetzt müssen wir die Köpfe hochkrempeln. Und die Ärmel natürlich auch.“ Das ist nicht nicht von Trojanow, sondern von Poldi.

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