Beethovenjahr ohne Beethovenfest Nike Wagner: „Das wird eine enorme Puzzlearbeit“

Bonn · Nicht alles lässt sich retten: Das komplette Beethovenfest um zwölf Monate zu verschieben, ist für die Macher eine große Herausforderung. Das sagt Festivalchefin Nike Wagner über die Verschiebung des Fests in 2021.

 „Wir haben jetzt wieder Schwung“: Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner.

„Wir haben jetzt wieder Schwung“: Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner.

Foto: Benjamin Westhoff

„Auferstehn, ja auferstehn“ lautet fast schon ein wenig prophetisch das Motto der Ausgabe des Beethovenfests zum diesjährigen Beethovenjubiläum. Denn nachdem die schon bis ins Detail festgezurrten Festivalpläne wie berichtet Anfang der Woche begraben werden mussten, werden sie ein Jahr später wieder auferstehen und – wenigstens zu einem großen Teil – verwirklicht werden können. „Wir waren rechtzeitig fertig mit allem. Es war alles rund und gut“, sagt Festivalchefin Nike Wagner. Gleichwohl steht sie hinter der Entscheidung des Aufsichtsrates. „Wir sind jetzt glücklich, dass die Entscheidungen gefallen sind. Wir haben jetzt alle wieder Schwung.“

Den Schwung braucht es freilich auch. Denn es ist etwas anderes, ob man ein einzelnes Konzert um ein Jahr verschiebt oder ein ganzes Festival mit seinen komplexen Strukturen und Abhängigkeiten von diversen Faktoren. Wagner: „Das ist eine enorme Puzzlearbeit.“ Wichtig für Wagner etwa war, das WCCB im kommenden Jahr als Spielstätte nutzen zu können. Weshalb das dreiwöchige Festival statt wie gewohnt im September 2021 bereits am 20. August an den Start gehen wird. „Wir versuchen, eins zu eins zu verschieben. und es wird sich noch herausstellen, ob und inwieweit das machbar ist.“

Man muss freilich gar nicht lange suchen, um auf Probleme zu stoßen. „Das Pittsburgh Symphony Orchestra, das in diesem Jahr seine Tournee absagen musste, könnten wir im nächsten Jahr, wenn sie exklusiv zu uns kämen, gar nicht mehr bezahlen“, erläutert Wagner.

Auf Besuch aus Bayreuth muss Bonn verzichten

Wegen des frühen Festivalbeginns muss Wagner auch auf den Besuch aus Bayreuth verzichten. Das Festspielorchester sollte ursprünglich das diesjährige Festival mit der Neunten Beethovens eröffnen. Das schmerzt sie ganz besonders: „Es war für mich persönlich sehr schön, dass das alles so reibungslos geklappt hat. Über Beethoven den Familienfrieden herstellen, das ist doch was! Es wäre ein doppeltes Jubiläumsprogramm gewesen. Voraussichtlich aber wird meine Kusine im nächsten Jahr keine Neunte in Bayreuth machen, die wir dann auch in Bonn übernehmen könnten.“

Ähnlich steht es mit Igor Levits spannendem Programm. Der Pianist hatte vor, zusammen mit dem Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia und dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter Leitung von Antonio Pappano  Ferruccio Busonis ungewöhnliches Klavierkonzert mit Männerchor aufzuführen. „Die Musiker waren auf einer Tournee, und wir waren begeistert, dass wir sie auf diese Weise kriegen konnten. Jetzt müssen wir schauen, ob wir sie uns im nächsten Jahr überhaupt leisten können; ohne Tournee wird alles erheblich teurer.  Wir arbeiten sehr daran, dieses Konzert zu ermöglichen.“

Vielleicht kommt Currentzis doch noch

Doch Wagner gibt sich auch überaus zuversichtlich, die Lücken schließen zu können. Etwa mit Konzerten aus der im vergangenen März vorgesehenen Frühjahrsausgabe des Festivals, die ebenfalls der Corona-Krise zum Opfer gefallen war. Ihr Traum ist es, Teodor Currentzis’ Beethoven-Zyklus mit seinem Ensemble MusicAeterna erneut zu präsentieren. „Die sind ja nicht mehr an der Oper in Perm angestellt, sondern frei. Da wäre es fabelhaft, den Zyklus mit allen neun Sinfonien doch noch verwirklichen zu können. Wir sind nun wieder am Beginn eines langen Weges.“  Insgesamt schätzt Wagner, etwa drei Viertel des ursprünglichen Programms zum Jubiläumsjahr retten zu können.

Finanziell bereite die Verschiebung keine Probleme, sagt Wagner. Auch wenn abgesagte Festivals wegen der enormen Vorbereitungs- und Fixkosten immer noch erstaunlich teuer zu stehen kommen. Doch die Intendantin kann auch für 2021 mit den Fördergeldern der Beethoven Jubiläumsgesellschaft rechnen. „Wenn sie das Jubiläumsjahr nicht verlängert hätten, wäre die Verschiebung gar nicht möglich gewesen“, sagt sie.

Missa solemnis aus dem Kölner Dom als Stream

Bei diesem Puzzlespiel bleibt sogar noch ein bisschen Beethovenfest für das aktuelle Beethovenjahr 2020 übrig: Die für den 21. August geplante Aufführung der Missa solemnis im Kölner Dom mit Kent Nagano und Concerto Köln soll als „Geisterkonzert“ gestreamt werden, auch die theatrale Baustellenbegehung der Beethovenhalle „Bauprobe Beethoven“ der Gruppe Rimini Protokoll wird nach jetzigem Stand noch in diesem Jahr realisiert werden.

Um die Verschiebung zu schultern, wurde der Vertrag mit Wagner um zehn Monate verlängert. Im Anschluss übernimmt ihr Nachfolger Steven Walter den Staffelstab. „Ich finde es gut, dass sie einen jungen Mann holen, der auch selbst ausübender Musiker ist. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich meine Innovationen von denen meines Nachfolgers unterscheiden.“

Informationen zur Gültigkeit, zum Umtausch oder zur Erstattung bereits gekaufter Karten gibt das Beethovenfest ab Freitag, 19. Juni 2020.

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