Woody Allen wird 80 Neurose mit Hornbrille

BONN · Kino heißt, schöne Frauen schöne Dinge tun zu lassen, hat der französische Altmeister François Truffaut einmal bemerkt. Sein amerikanischer Kollege Woody Allen, der am kommenden Dienstag 80 wird, hat das in mehr als 40 Filmen beherzigt.

 Woody Allen in "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten".

Woody Allen in "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten".

Foto: SWR/nfp marketing & distribution

Mehr noch: Er hat seit Ende der sechziger Jahre schöne Frauen schöne Dinge in schönen Städten machen lassen: New York, London, Paris, Rom, Barcelona. Doch bei allem Witz, bei allem Klamauk, mit dem Allen viele seiner Filme ausstaffierte, lag immer auch ein Schatten der Verzweiflung über den Figuren. Sie litten an sich, an ihren Beziehungen im Besonderen und am Leben im Allgemeinen. "Es gibt keinen Gott, keine Magie, keinen tieferen Sinn im Universum", hat der in Brooklyn als Allan Stewart Konigsberg geborene Filmemacher festgestellt.

Gelegentlich, wenn Allen seine Ingmar-Bergman-Phasen in Werken wie "Innenleben" (1978) oder "September" (1987) auslebte, wurde es richtig ernst, existenziell und traurig. Beim Publikum kamen diese Versuche nicht so gut an.

Der ewige New Yorker hat bedeutende und unvergessliche Werke geschaffen, zum Beispiel "Der Stadtneurotiker" (1977) und "Manhattan" (1979). Doch es bedurfte schon großer Loyalität oder blinder Bewunderung, um jeder seiner Arbeiten viel abzugewinnen. Geradezu zwanghaft legt er Jahr für Jahr ein neues Werk vor - eben ist "Irrational Man" gestartet -, und wenn er Glück hat, kommt dabei so etwas wie "Match Point" (2005), "Vicky Cristina Barcelona" (2008) oder "Blue Jasmine" (2013) heraus. Und wenn nicht, dann "Scoop - Der Knüller" (2006).

Woody Allen wollte eigentlich nicht durch sein Werk unsterblich werden, sondern dadurch, dass er niemals stirbt. Seine Geburtstage findet der Entertainer "irgendwie deprimierend". Der Sohn orthodoxer Juden ließ früh schon seine Begabung erkennen, als 15-Jähriger schrieb er Zeitungssatiren, später entwickelte er Gags für bekannte Komiker.

Seit 1961 trat er selbst auf, 1965 wurde sein erstes Drehbuch für die Sexkomödie "What's New Pussycat?" in Szene gesetzt. Allen erregte 1972 auch hierzulande Aufsehen mit einem der längsten Titel der Filmgeschichte: "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten". Unvergesslich die in diesem Film mit viel Einfühlungsvermögen thematisierte Beziehung zwischen Mensch und Tier, Psychiater und Schaf.

Allen liebt und verkörpert Kinofiguren, die unverdrossen den Widrigkeiten des Lebens Paroli bieten, mit einem Bonmot, mit einem Aphorismus. In die Welt des Films hat er ein Geschöpf hineingeboren, das ihm zum Verwechseln ähnlich sieht: den bebrillten jüdischen Intellektuellen aus New York, der es zu etwas gebracht hat, aber immer wieder auf die Klappe fällt. Einer, der mit tollpatschigem Charme und stotterndem Esprit die Frauen gewinnt und sie mit seinen Macken und seiner Egozentrik immer wieder verliert. Ein Mann schließlich, der einsieht, dass man das Leben nur ertragen kann, wenn man darüber lacht.

Viele Allen-Filme sind Reflexe einer ereignisreichen Biografie. Unbekümmert spiegelte er dabei auch intime Details seines Privatlebens, darunter das 1992 bekannt gewordene Verhältnis zu Soon-Yi, der Adoptivtochter seiner damaligen Lebensgefährtin Mia Farrow. Sie warf ihm sexuellen Missbrauch der minderjährigen Soon-Yi vor, die Allen später heiratete.

Wie Clint Eastwood hört auch Woody Allen in fortgeschrittenem Alter nicht auf zu arbeiten. "Arbeit ist meine Therapie gegen Pessimismus", hat er in einem Interview erklärt. Jetzt bereitet er übrigens eine TV-Miniserie vor. Wollen wir hoffen, dass sie als Komödie angelegt ist. Allen besitzt Talent und Lebensphilosophie für Tragödien. Sein Genie steckt in den Komödien.

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