"Die Schüler der Madame Anne" Nachdenken über den Rassismus

173 Halbtage unentschuldigtes Fehlen, 84 Verspätungen, 31 Unterrichtsverweise, 48 Stunden Nachsitzen, vier Verwarnungen, zwei Schulverweise auf Zeit - wenn es um Regelverstöße geht, bricht die Klasse 11/1 des Pariser Léon Blum Gymnasiums alle Rekorde.

 Engagement mit einem Lächeln: Die Lehrerin Anne Gueguen (Ariane Ascaride)) will ihre Schüler für ein brisantes Projekt interessieren.

Engagement mit einem Lächeln: Die Lehrerin Anne Gueguen (Ariane Ascaride)) will ihre Schüler für ein brisantes Projekt interessieren.

Foto: dpa

Viele Lehrer haben die Schüler aus dem sozialen Problembezirk Créteil schon längst aufgegeben. Nur ein Bruchteil wird das Abitur schaffen.

Es dauert sehr lange, bis die Frage, wer "Romeo und Julia" geschrieben hat, zwischen all den Witzen und Pöbeleien richtig beantwortet werden kann. Aber die neue Klassenlehrerin Madame Gueguen (Ariane Ascaride) ist eine kleine, patente Frau, die den Glauben an die Chancengleichheit nicht verloren hat.

Sie lässt den Jugendlichen nichts durchgehen und ist gleichzeitig fest davon überzeugt, dass in den Schülern mehr steckt als Renitenz und Gleichgültigkeit. So schlägt sie ihren Elfern vor an einem nationalen Wettbewerb teilzunehmen. Das Thema, das die Schüler kollektiv erarbeiten müssen, lautet: "Die Kinder und Jugendlichen im Konzentrationslagersystem der Nazis".

Zunächst nörgeln alle wegen der Überstunden herum. Aber zum nachmittäglichen Treffen trudelt - mit einiger Verspätung - dann doch die ganze Klasse ein. Recherchen in der Bibliothek und im Internet, der Besuch einer Holocaust-Gedenkstätte und vor allem der Besuch eines Überlebenden, der mit 15 Jahren ins Konzentrationslager kam, bringen den Schülern das historische Thema - auch emotional - sehr nahe.

Dabei beginnen sie auch über den Rassismus in den eigenen Reihen nachzudenken und ihre Cliquenstrukturen zu hinterfragen. In "Die Schüler der Madame Anne" ist die Pariser Banlieue einmal nicht der Austragungsort für Bandenkriege und Kriminalität, sondern für ein positives Beispiel schulischer Integrationspraxis.

Das Drehbuch des Co-Autoren von Ahmet Dramé beruht auf eigenen Schülererfahrungen mit einem solchen Schulprojekt. Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar ("Willkommen in der Bretagne") setzt den gymnasialen Alltag im sozialen Brennpunkt mit einem guten Gespür für die rasante, interaktive Dynamik zwischen den Jugendlichen um. Dabei hat sie vorwiegend mit Laiendarstellern gearbeitet, die vor der Kamera ein enorme Präsenz entfalten.

Der Auftritt des KZ-Überlebenden Léon Zyguel, der in seinem echten Leben ebensolche Besuche in Schulen macht, gibt der Geschichte realistische und emotionale Tiefe. Neue Filmbühne

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