Saisonstart an der Kölner Oper Musik steht im Zentrum neuer Tannhäuser-Inszenierung

Köln · Gürzenich-Chef François-Xavier Roth dirigiert erstmals ein Werk von Richard Wagner an der Kölner Oper: „Tannhäuser und Der Sängerkrieg auf Wartburg“. Patrick Kinmonth inszeniert.

 Tannhäuser (David Pomeroy) mit einem der Mädchen der Venus.

Tannhäuser (David Pomeroy) mit einem der Mädchen der Venus.

Foto: Bernd Uhlig

Nach seinem Experiment mit dem „Fliegenden Holländer“ auf Originalinstrumenten 2015 in Frankreich erschien es Gürzenich-Chef François-Xavier Roth nun an der Zeit, seinen Wagner-Weg an der Kölner Oper auf modernen Instrumenten fortzuschreiten. Ausgesucht hat er sich dafür das musikalische Drama „Tannhäuser und Der Sängerkrieg auf Wartburg“. Wenn der Musikchef die treibende Kraft ist, nimmt es eigentlich nicht Wunder, dass die Musik im Zentrum steht – sogar im Szenischen: Das Bühnenbild erfüllt hier nicht nur den Zweck, der Regie zu dienen, sondern vor allem auch dem Klang.

Bühnenbildner Darko Petrovic hat dem Orchester im Saal 1 des Staatenhauses einen tiefen Graben ausgehoben, nicht an der Stelle, wo er in regulären Opernhäusern zu finden ist, vielmehr klafft hier das Loch mitten auf der Spielfläche im erdkrustenartig aufgerauten Boden, groß genug, um das ganze Wagner-Orchester unterzubringen. Man sieht, es dreht sich hier buchstäblich alles um die Musik.

Dass dieser ungewöhnliche Graben, auch wegen der großen, fahrbaren Lichtsäulen, die ihn gelegentlich durchqueren, und der ihn überquerenden Brücke zudem ein visuelles Highlight darstellt, macht die Idee noch überzeugender.

Bühnenbild sorgt für üppigen Klang

Petrovics Bühne verhilft dem Gürzenichorchester zu einem echten Breitwandsound. Der Klang ist üppig und durchhörbar, dynamisch und packend. Schon in der Ouvertüre wird deutlich, dass Roth in diesem Raum seine Ideen gut verwirklichen kann, die Innigkeit des leisen Choralbeginns der Holzbläser kommt hier ebenso zum Tragen wie dessen triumphierende Steigerung. Auch der Taumel der erotisch aufgeheizten Venusbergmusik klingt großartig.

In späteren Szenen kommen noch geradezu überwältigende Chorszenen mit dem fabelhaften Opernchor (Einstudierung: Andrew Ollivant) hinzu. Roth hat eine Vorliebe für Früh- und Urversionen, die er auch im Fall des „Tannhäuser“ durchsetzt. Gespielt wird die Dresdner Fassung, deren markantester Unterschied zur späteren Pariser Bearbeitung das Fehlen des Bacchanals ist. Auch Regisseur Patrick Kinmonth, der zum vierten Mal in Köln inszeniert, kann ganz auf diesen orgiastischen Teil verzichten. Er will gar nicht den Widerspruch der im „Tannhäuser“ formulierten weiblichen Prinzipien Heilige (Elisabeth) und Hure (Venus) herausstreichen, ihm geht es um deren Versöhnung.

Das setzt er allerdings etwas schematisch ins Bild, wodurch es über weite Strecken auch etwas blutleer wirkt. Wenn Kinmonth etwa die Frauenfiguren auch dann auf die Bühne schickt, wenn sie nichts zu singen haben. Neben Elisabeth und Venus ist das als Dritte im Frauenbunde die in einer stummen Rolle erscheinende heilige Jungfrau Maria. Kinmonth sieht in Elisabeth weniger die fromme Jungfrau als eine moderne junge Frau.

Die Venus wirkt wiederum nicht als die personifizierte Verführung (den Job übernehmen ihre zahlreichen rothaarigen Mädchen), sie trägt hochgeschlossenes Schwarz (Kostüme: Annina von Pfel). Im dritten Akt tauschen ihre Gehilfinnen die schwarze Kleidung gegen das Blau und Weiß der Marienfigur. Das sinnliche Rot der Haare, das übrigens auch Elisabeths Haupt schmückt, aber bleibt.

Überraschende Entwicklung von Tannhäuser

Und Tannhäuser selbst, der aus Überdruss an der pseudomoralischen Welt des Landgrafen Hermann in den Venusberg floh, die pure Lust aber auch nicht als erfüllend erlebt, macht ebenfalls eine überraschende Entwicklung durch. Als er von seiner Pilgerreise, die ihn nach dem Eklat beim Sängerkrieg nach Rom führt, zurückkehrt, findet er Vergebung. Und Erlösung in den Armen von Elisabeth, mit der er nach einem langen Kuss gemeinsam die Bühne verlässt. Tannhäuser einmal mit Happy End!

Kristiane Kaiser bietet als Elisabeth mit kraftvoll leuchtendem Sopran, jedoch ein bisschen viel Vibrato, erstklassigen Wagner-Gesang. Auch David Pomeroy in der Titelpartie überzeugt. Er bewältigt die strapaziöse und musikalisch extrem anspruchsvolle Partie, die in der Rom-Erzählung ihren Höhepunkt findet, bemerkenswert gut. Mit edlem, tenoral gefärbtem Ton begeistert Miljenko Turk als Wolfram das Kölner Publikum. Sein Lied vom „Abendstern“ ist ein emotionaler Höhepunkt. Großartig auch Karl-Heinz Lehners Landgraf. Dalia Schaechter singt die Venus mit kraftvollem Mezzo. Und auch das übrige Ensemble mit Dino Lüthy (Walther von der Vogelweide), Lucas Singer (Biterolf), John Heuzenroeder (Heinrich der Schreiber), York Felix Speer (Reinmar) und Maria Isabel Segarra (Junger Hirt) überzeugte. Großer Beifall.

Weitere Termine: 30.9.; 6., 8., 12., 14., 22. und 28.10.; 1.11.; Aufführungsdauer ca. 4 Std.; Karten bei Bonnticket. Infos auf der Homepage der Oper Köln.

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