Orchestercampus der Deutschen Welle Musik aus dem Schmelztiegel

Bonn · Die Mexikanerin Alondra de la Parra dirigiert beim Beethovenfest am Donnerstag das Bundesjugendorchester. Sie möchte, dass die Musik aus ihrer Heimat auch in Europa ein Publikum findet.

 Mit Leidenschaft bei der Probe: Alondra de la Parra und das Bundesjugendorchester.

Mit Leidenschaft bei der Probe: Alondra de la Parra und das Bundesjugendorchester.

Foto: Barbara Frommann

Sie ist freundlich, zugewandt, aber irgendwie auch besessen. Alondra de la Parras Dämon ist glücklicherweise kein böser: Seit ihrer Kindheit lebt sie für die Musik. Begann mit sieben Jahren Klavier zu spielen, mit 13 erhielt sie Cello-Unterricht. Und sie hatte einen festen Berufswunsch im Kopf und im Herzen: „Ich kann mich gar nicht daran erinnern, etwas anderes werden zu wollen als Dirigentin. Angefangen habe ich damit, als ich 13 oder 14 Jahre alt war und meine Mitstudenten dirigiert habe. Ich mag es einfach, Menschen zusammenzubringen und die Energie der Gruppe zu spüren“, sagt sie bei einem Treffen. Den Taktstock zu ergreifen, war natürlich sehr ungewöhnlich für ein junges Mädchen aus Mexiko Stadt. Für diese Rolle bot die Welt noch kaum Vorbilder. Doch Alondra de la Parras Riesentalent und ihr unbeugsamer Wille machten den Weg zu den Konzertpodien frei, im nächsten Jahr übernimmt sie die Chefposition des Queensland Symphony Orchestra in Australien.

Die ersten Stücke, die sie während des Studiums in New York dirigierte, waren die Sinfonie Nr. 88 von Joseph Haydn und Strawinskis „L'Histoire du Soldat“, erinnert sie sich. Sie beherzigte dabei stets, was schon ihr Vater der Musikerin mit auf den Weg gegeben hatte. „Er sagte mir, dass ein Dirigent die Partitur in- und auswendig kennen muss. Der Dirigent ist derjenige, der die Idee der Musik begreifen muss, und er braucht sehr gute Ohren, um Probleme zu erkennen und sie zu lösen.“

Das gilt für die Arbeit mit jungen Musikern vielleicht noch mehr als für professionelle Orchester. Seit ein paar Tagen ist die Mexikanerin jetzt schon in Bonn, wo sie im Rahmen des Campus der Deutschen Welle mit dem Bundesjugendorchester ein Programm für das Beethovenfest einstudiert. Viele der jungen Musiker kennt de la Parra schon von einem gemeinsamen Konzert mit dem „Orquesta Escuela Carlos Chávez“ in ihrer Heimat, wo sie am 6. Juni im „Palacio de Bellas Artes“ in Mexiko Stadt Mexikos „Deutschlandjahr“ eröffneten.

Man wird beim Konzert am Donnerstag in der Beethovenhalle erleben, dass ihr das klassische Repertoire Mexikos am Herzen liegt. In New York gründete sie gerade einmal 23-jährig das Philharmonic Orchestra of the Americas, das sie der Aufführung von Werken amerikanischer Komponisten „von Kanada bis Patagonien“ verschrieben hatte, die in New York ebenso wenig wie in Europa in den großen Konzertsälen vertreten waren. Das habe sich mittlerweile ein wenig geändert, sagt sie. „Das sehen wir an dem Konzert beim Beethovenfest, wo wir Musik von Enrico Chapela und Carlos Chavez spielen“, sagt sie.

Sie liebt es, mit jungen Musikern zu arbeiten. Zum mittlerweile erwachsen gewordenen Simón Bolívar Symphony Orchestra pflegt sie eine enge künstlerische Beziehung. „Ich habe durch sie Simon Rattle kennengelernt und viel von ihm gelernt.“ Auch zum Bundesjugendorchester hat sie einen guten Draht. „Sie haben ein sehr, sehr hohes Niveau“, hat sie festgestellt. „Sie spielen so gut wie professionelle Musiker. Aber gleichzeitig spürt man, dass ihnen noch Erfahrung fehlt. Man muss oft Dinge erklären, die man bei erfahrenen Orchestern schon selbstverständlich voraussetzt. Zu proben heißt hier auch zu lehren.“

Ihr ungewöhnliches Programm hier aufzuführen, findet sie großartig. Denn die Menschen, die zum Beethovenfest gingen, meint sie, seien „hardcore classical music lovers“. Und diesem Publikum Musik von Carlos Chávez zu präsentieren, sei „wirklich aufregend“.

Für Chávez' Musik brennt die Dirigentin. „Er ist der Vater für die Musik in Mexiko.“ Im Konzert wird eine Suite aus seinem Ballett „Caballos de Vapor“ (Pferdestärken) aus den 20/30er Jahren aufgeführt. Damals entwarf Diego Rivera die Kostüme. Mexiko Stadt war zu jener Zeit ein kultureller Schmelztiegel. „Fast wie Paris“, meint Alondra de la Parra. Aber auch das Festivalmotto „Revolutionen“ wird vielfach in der Musik gespiegelt. Bei Chávez ist es die industrielle Revolution, der das Sujet aber geschickt mit folkloristischen Elementen zu verbinden weiß, wie etwa der Sandunga, einem mexikanischen Walzer in Moll. „So wie es Mahler auch getan hat“, sagt sie. „Ich erzähle bei den Proben, dass die Musik Mexikos nicht spanisch, sondern viel stärker von deutscher und österreichischer Musik geprägt ist. Das Land wurde von den Spaniern erobert. Und die Musik, die hier entstand, ist eine Reaktion darauf.“

Beethovenhalle, 15. September, 20 Uhr, Bundesjugendorchester, Landesjugendchor NRW, Solisten, Alondra de la Parra (Dirigentin), Werke von Artuo Márquez, Hugo Distler, Enrico Chapela, Ludwig van Beethoven und Carlos Chávez. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort