Molières "Der Geizige" im Bonner Theater

Stück zur Finanzkrise - Premiere am Freitag mit Patricia Benecke als Regisseurin

Molières "Der Geizige" im Bonner Theater
Foto: Thilo Beu

Bonn. Was waren das für Zeiten, als der Geiz noch geil war! Der Werbespruch spielte nicht nur mit dem Tabubruch gegenüber der christlichen Caritas, sondern rüttelte auch an einem Eckpfeiler des bürgerlichen Selbstverständnisses.

Nun in der Finanzkrise muss man in Harpagon, der Titelfigur in Molières Komödie "Der Geizige", sogar ein Vorbild sehen: Zwar rät er seinem Sohn, Geld für spätere Zeiten anzulegen, er selbst vergräbt sein Geld aber im Garten. Weiser Mann!

Der Klassiker ist das Stück zur Krise, keine Frage. Regisseurin Patricia Benecke sieht im Merkantilismus zu Molières Zeiten eine Frühform des Kapitalismus unserer Tage. Dass Harpagon seine Kinder nach Finanzgesichtspunkten verheirate, lebe heute in Ehen schöner junger Frauen mit reichen älteren Männern fort.

Oder zeige sich in den Expressscheidungen von Bankersgattinnen, die noch etwas vom ehelichen Finanzkuchen abbekommen wollen. Die Beziehungen in Molières Komödie - Premiere ist am Freitag in den Kammerspielen - beschreibt Patricia Benecke als lieblos, taktisch und von Geld definiert.

In Harpagons Familie seien ausnahmslos alle aufs Geld fixiert. Der Geiz des Alten kehre in der Verschwendungssucht seiner Kinder Cléante und Elise wieder. Sie seien "verwöhnte Blagen", die mit ihrem Hedonismus gegen die Sparsamkeit des Vaters rebellieren.

Ein aus der Geschichte der Bundesrepublik durchaus bekannter Generationenkonflikt. Den Titelhelden wiederum möchte Patricia Benecke nicht als komischen Alten im Sinne der Commedia dell'Arte verstanden wissen: "Was man besitzt, besitzt einen irgendwann."

In der Identifikation mit dem Geld liege bei allem Witz auch eine Tragik. Zugleich sei Harpagon ein ausgewiesener Finanzfachmann, der Kredite zu Wucherzinsen vergibt, aber in Fragen wie Zukunftssicherung oder Sparsamkeit nicht unrecht habe.

Zudem sei er als geschmackvoll gekleideter und mit Savoir-vivre ausgestatteter älterer Herr alles andere als ein Trottel. "Wir wollen eine Bogen spannen von Molière zu uns", sagt Patricia Benecke.

Deshalb habe sie sich für eine Ausstattung mit geschichtlichen Anspielungen und auch für die leicht historisierende Übersetzung von Frank Patrick Steckel entschieden. Patricia Benecke weiß, wovon sie spricht.

Neben ihrer Regietätigkeit arbeitet sie seit Jahren als Übersetzerin vom Deutschen ins Englische und vice versa. Sie ist in Sankt Augustin zur Schule gegangen, hat jedoch in London studiert und lebt seit Jahren im englischen Finanzzentrum.

Inzwischen inszeniert sie dort genauso häufig wie in Deutschland. Die Unterschiede seien allerdings enorm. Der englische Theatergeschmack sei weit mehr auf eine lineare Handlung konzentriert, was ein Stück wie Urs Widmers "Top Dogs" schon zum Experiment mache.

Zudem seien Probenzeiten und Finanzmittel eher knapp bemessen. Deshalb genießt Patricia Benecke die abgesicherten Produktionsformen des deutschen Stadttheaters, auch wenn sie meint, dass beide Theaternationen durchaus voneinander lernen könnten.

Molière: "Der Geizige", Premiere in den Kammerspielen am 27. März, weitere Vorstellungen am 29. März, 4. und 11. April

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