Familienkonzert des Beethoven Orchesters Moderne Musikvermittlung sieht anders aus

BONN · "Wenn ich nicht Komponist werde, dann werde ich Schriftsteller." Der Plan B des jungen Sergej Prokofieff überrascht kaum, hat er sich doch zeit seines Lebens viel mit Literatur beschäftigt und auch viele Werktexte selbst geschrieben.

 Schwungvolle Dynamik: Beethoven Orchester, Dirigentin Maria Benyumova und Sprecher Lucian Plessner.

Schwungvolle Dynamik: Beethoven Orchester, Dirigentin Maria Benyumova und Sprecher Lucian Plessner.

Foto: Christoph Erpenbeck

Als der junge Konzertgitarrist Lucian Plessner Mitte der 90er Jahre in der Moskauer Wohnung von Sergej Eisenstein eine vergilbte Zeitschrift mit drei Erzählungen Prokofieffs entdeckte, fand er diese so spannend, dass er sie übersetzte und veröffentlichte.

Eine davon, "Das Märchen vom Fliegenpilz", machte das Beethoven Orchester Bonn (BOB) zum Thema seines 3. Familienkonzerts in der Beethovenhalle. Am Lesepult trug Plessner selbst die Geschichte vor; am Dirigentenpult illustrierte Maria Benyumova das Gelesene mit Ausschnitten aus Prokofieffs Werken "Cinderella", "Romeo und Julia" und "Die Liebe zu den drei Orangen".

Keine Frage: Das Märchen von der fünfjährigen Tanja, deren Fantasie in der Familie auf Unverständnis und Ablehnung stößt und die von einem Fliegenpilz ins unterirdische Königreich der Pilze entführt wird, ist voller Poesie und Witz.

Die Musik, die Benyumova zusammen mit Plessner und Konzertpädagogin Christine Lauter ausgewählt hat, ist so effektvoll komponiert und farbenfroh instrumentiert, dass sie die Vorstellungskraft der Zuhörer mühelos mit auf die Reise nimmt. Das groß besetzte BOB lässt sich nicht lumpen und spielt die rhythmisch pointierten Sätze mit schwungvoller Dynamik. Und doch: Ein Familienkonzert, das sich darauf beschränkt, 70 Minuten lang abwechselnd vorzulesen und "passende" Musik einzuspielen, entspricht nicht den Maßgaben und Konzertpädagogik.

Das junge Publikum konsumiert konzentriert. Doch ohne Moderation, die das Bühnengeschehen aus den verschiedensten Perspektiven steuern und begleiten könnte, ohne Ideen, die Kinder interaktiv in das Programm einzubeziehen, findet ein aktiver und kreativer Zugang zu den Klangwelten Prokofieffs nicht statt. Schade drum.

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