Bonner Oper Mit "Tristan und Isolde" wird ein packender Beitrag zum Wagner-Jahr geboten

BONN · Langsam und schmachtend solle der Beginn des Vorspiels zu "Tristan und Isolde" klingen, notierte Richard Wagner über der Partitur zu "Tristan und Isolde".

Als Bonns Generalmusikdirektor Stefan Blunier den Cellisten bei der Premiere des Liebesdramas in der Oper den Einsatz zu dem sehnsüchtigen Sextsprung gab, der den wundersam-rätselhaften Tristan-Akkord vorbereitet, musste man genau dieses Begriffspaar wählen, um das Ergebnis zu beschreiben. Das langsame Tempo, die extrem gedehnten Generalpausen und der wunderbare Orchesterklang entfalteten einen musikalischen Zauber, der bis zum ergreifenden Liebestod Isoldes wirken sollte.

Man war vor der Premiere schon gespannt, wie die als großes Talent gehandelte amerikanische Sopranistin Dara Hobbs diese Szene singen würde. Leider war sie aber wegen einer heftigen Heuschnupfen-Attacke stimmlich derart außer Gefecht gesetzt, dass sie nur stumm spielen konnte und ihrer kurfristig eingesprungenen Kollegin Sabine Hogrefe das musikalische Feld überlassen musste. Ihr gelang das Kunststück, sich hinterm Notenpult in die musikalische Atmosphäre hineinzufühlen und die unglaublichen, oftmals dramatisch aufgeladenen Emotionen ihrer Partie mit tragender Stimmer Klang werden zu lassen.

Regisseurin Vera Nemirova fokussiert den Blick deutlich auf das Liebespaar. Im Zentrum der von Klaus W. Noack entworfenen Bühne steht ein riesiges Treibhaus; es wirkt ein bisschen heruntergekommen, die Scheiben sind zum Teil schon zerbrochen. "Im Treibhaus" heißt auch ein Gedicht von Wagners geliebter Muse Mathilde Wesendonck, deren Mann Otto Wesendonck der wichtigste Gönner des Komponisten während des Schweizer Exils war. Auch Isolde scheint in Nemirovas Inszenierung eine Dichterin zu sein. Die Bühne ist übersät mit weißen Blättern.

Nemirova will die Oper auch ein bisschen entmythisieren. Den Liebestrank (den beide zunächst für einen Todestrank halten) gibt es hier nicht wirklich. Weil das Paar seine Liebe schon sehr viel früher ahnt, braucht es Brangänes Zauber nicht, und eine banale Plastikwasserflasche leistet dann eben auch gute Dienste. Tristan fängt das Wasser mit der Hand auf und trinkt es gierig in einem Zug. Isolde, die sich betrogen fühlt, presst ihren Mund auf den seinen, als wolle sie sich ihren Teil holen. Dieser Kuss dauert so lange, wie Wagner das Mittel musikalisch wirken lässt. Nach diesem vielleicht längsten Kuss, den die Opernbühne je erlebt hat, fühlt sich das Paar vereint. Dass sie danach ihrer Liebe immer wieder mit Worten, die sie sich gegenseitig auf die Haut schreiben, versichern, wirkt hingegen reichlich gewollt.

Für Nemirova ist auch König Marke eine spannende Figur. In seinem Auftritt wurde deutlich, wie ambivalent die Gefühle dieses Mannes sind. Trauert er, weil Tristan ihm seine Braut Isolde oder weil Isolde ihm den geliebten Tristan genommen hat? Als er irgendwann zwischen dem Paar auf dem gleichsam als szenisches Leitmotiv verwendeten Bett sitzt, herrscht tief empfundene Ratlosigkeit. Martin Tzonev gestaltet die Seelenregungen mit ebenso machtvollem wie nuanciertem Bassbariton und bemerkenswertem schauspielerischem Können.

Den Tristan sang Robert Gambill. Zunächst noch arg kräfteschonend, legte er sich im dritten Akt mehr ins Zeug. Was umso erforderlicher war, als der Held hier weniger an der Wunde leidet, sondern vom Wahnsinn umnachtet ist. Der dritte Akt, eine einzige Wahnsinnsarie, für die Gambill letztlich aber nicht genügend Stimme mitbrachte. Dieser Opernakt gehörte freilich auch Mark Morouse, dessen Kurwenal gesanglich ebenso überzeugte wie seine Wortverständlichkeit.

Auch in den anderen tragenden Nebenrollen kann die Produktion punkten: Daniela Denschlag ist mit schönen Mezzofarben eine überragende Brangäne; Bariton Giorgos Kanaris überzeugt als Melot; selbst Hirt und Steuermann sind mit Johannes Mertes und Sven Bakin bestens besetzt. Der von Sibylle Wagner einstudierte Männerchor sang ebenfalls mit starker Präsenz. Für Bonns Beitrag zum Wagner-Jahr gab's begeisterten Beifall.

Weitere Aufführungen: 9., 19. Mai, 2. Juni, 13. Juli; Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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