Ausstellung in der Bundeskunsthalle Mit Models kuscheln

Bonn · Starfotograf Juergen Teller mit der Schau „Enjoy Your Life!“ in der Bundeskunsthalle, mit Fotos von Kate Moss, Kim Kardashian und Co., Fußballbildern und bizarren Fotoreportagen

 Der Fotograf in ihrer Hand: Juergen Tellers Bild „Plates/Teller, No.128“ aus diesem Jahr.

Der Fotograf in ihrer Hand: Juergen Tellers Bild „Plates/Teller, No.128“ aus diesem Jahr.

Foto: Bundeskunsthalle

Wer denn sein schwierigstes Modell gewesen sei, wurde Starfotograf Juergen Teller gefragt, als er gestern eineinviertel Stunden nach Beginn der Pressekonferenz der Bundeskunsthalle gut gelaunt und braungebrannt in der Turnhose erschien. Der Mann, der wunderbare Porträts von Kate Moss und Kolleginnen geschossen hat, der sich mit Charlotte Rampling nackt im Bett fotografierte, mit der kaum bekleideten Trash-Queen Kim Kardashian und ihrem Rapper Kanye West durchs Gelände zog und die Mode- und Punklady Vivienne Westwood hüllenlos in sexy Posen zeigte, gab eine verblüffende Antwort: „Es war meine Mutter.“

Die habe ihn einfach nicht als Fotokünstler akzeptiert, habe nicht verstanden, was er wollte, als er sie fotografierte. Und er war befangen. Es habe ewig gebraucht, bis er ein Bild von ihr hatte, das beiden gefiel. Zu wenig Distanz.

Distanz ist das Zauberwort in Juergen Tellers vermeintlich drastischer, mitunter an der Grenze zum Anstößigen, Ekligen angesiedelter Bildsprache. Distanz und Direktheit, zwischen diesen Polen bewegt sich auch die Ausstellung „Enjoy Your Life!“, die gestern Abend eröffnet wurde. Als begnadeter Food-Fotograf für das Edelhotel „Il Pelicano“ im toskanischen Porto Ercole geht er mit der Kamera ebenso nah ran wie an Kim Kardashians voluminöses Hinterteil oder an die Gesichter (seines inbegriffen) jubelnder Fußballfans beim WM-Finale 2014 in Tellers Lieblingskneipe, bei einem Portugiesen in London.

Teller schafft es, selbst die alltäglichste Situation und das banalste Motiv spannend zu fotografieren, etwa indem er an dieser Distanzschraube dreht und dabei gerne überzieht. Seine Bilderstrecken in Magazinen tragen dieses bisweilen aggressive Moment in sich, sind tendenziell übergriffig. Tellers Fotos springen einen an – das sichert den Rang als exzentrischer Mode- und Promifotograf, als begehrter „Story-Teller“, wie sich der Geschichtenerzähler selbst gerne bezeichnet.

Und wo bleibt die Distanz? Die vollzieht sich im Vorfeld. Den offenherzigen Fotosessions mit Vivienne Westwood und Charlotte Rampling gingen viele Gespräche voraus. „Wir sind befreundet“, sagt Teller, „sie vertrauen mir.“ Er habe das richtige Gespür, wie weit er gehen könne. Und das werde akzeptiert. Ähnlich differenziert geht Teller an das schwierige Thema Heimat heran, zu dem auch die Familie gehört.

Teller ist 1964 im fränkischen Erlangen geboren und im benachbarten Örtchen Bubenreuth aufgewachsen, wo er auch eine Bogenmacherlehre begann. Bis 1986 lebte er in der Provinz, die er liebevoll, mit einem feinen Auge für Skurriles fotografierte. Seine Fotoreportage „Irene im Wald, Nürnberg“ folgt der Mutter in gelbstichigen Bildern, ist untermalt mit biografischen Notizen.

Dort erfährt man etwa, was er empfand, als er Nastassja Kinski 1977 im ARD-Tatort „Reifezeugnis“ sah. Heimat ist für Teller auch Schmerz, Erinnerung an die schwierige Zeit mit dem alkoholkranken Vater, der sich 1988 das Leben nahm. Die Ausstellung zeigt Beerdigungsbilder und Juergen Teller, wie er nackt und mit Bierflasche am Grab steht.

Die Selbstinszenierung, gerne nackt, gehört zu seiner Bildsprache. Er habe sich selbst fotografiert, „um zu spüren, was die anderen spüren, wenn ich sie fotografiere“, sagte er gestern, während im Hintergrund Pianomusik vom Video „Butterfly“ zu hören war. In dem Film sitzt Charlotte Rampling in einem Barocksalon am Flügel. Auf dem liegt der nackte Teller mit dem Gesäß zur Kamera und vollführt Bewegungen, die an einen Schmetterling erinnern sollen. Tellers kerniger Humor kommt bei den meisten Besuchern gut an.

Mit einem Wortspiel garniert er sein Bundeskunsthallengastspiel. Untertitel der Schau: „Mit dem Teller nach Bonn“. In England ist er der „Story-Teller“, in Deutschland ein Teller, auf dem allerlei serviert werden kann. Erst im Vorfeld der Schau sei er auf die Idee gekommen, das Teller-Motiv auszuspielen. Es gibt bedruckte Teller – mit Porträts seiner Kinder, von Gerhard Richter, David Hockney und etlichen Nuditäten – er hat Promis mit Tellern posieren, sich bizarre Teller-Szenen einfallen lassen.

Der Mann, der gerne physisch mit ins Bild geht, ist nun als Metapher im Foto unterwegs. Stapelweise hat Teller Teller in den Bundeskanzlerbungalow getragen, wo es vor Monaten ein geheimes Fotoshooting mit Starmodel Eva Herzigová gab. Eine tolle Inszenierung an diesem Ort, der Bundesgeschichte atmet. Die wunderschöne Herzigová mit Nerz und Teller am Rand von Helmut Kohls marodem Mini-Pool voller Blätter oder im grauen Edelkostüm im Hof des Bungalows, das sind Bilder, in denen Glamour und Morbidität eine spannende Beziehung eingehen. Bei Teller kommt da immer noch eine Prise Ironie dazu. Das macht seine Bonner Schau so sehenswert.

Bundeskunsthalle; bis 25. September. Di, Mi 10-21 Uhr, Do-So 10-19 Uhr. Katalogheft zwölf Euro.

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