Michael Barfuß inszeniert "The Rock'n'Rollator-Show" in der Halle Beuel

Wie wär's mit einem sozialen Pflichtjahr für Senioren? Die werden schließlich immer mehr, hocken topfit und nutzlos auf Parkbänken rum und genießen ihre notorisch sichere Rente. Zivis gibt's nach der Abschaffung der Wehrpflicht nicht mehr, der neue "Bundesfreiwilligendienst" ist ausgebucht. Also: Rollis an die Front!

 Szene aus "The Rock'n'Rollator-Show".

Szene aus "The Rock'n'Rollator-Show".

Foto: Thilo Beu

Die erste Rock'n'Roll-Rentner-Generation nimmt sich vergnügt selbst auf die Schippe in der "Rock'n'Rollator-Show", inszeniert und musikalisch geleitet von Michael Barfuß, Bühnenmusiker am Theater Bonn. Mit Rollstühlen, Rollatoren und sonstigen Mobilitätshilfen bevölkern die 28 "Groove@Grufties" die Bühne der Halle Beuel. Die Spiegelwand aus dem "Großen Gatsby" spielt perfekt mit in der Ausstattung von Daniela Hohenberger, die für die munteren Best-Ager und die sechs reizenden jungen Damen hübsch individuelle Kostüme entworfen hat.

"Hör auf mit früher, ich will es nicht mehr hörn" von den Toten Hosen singen sie in dem fröhlichen Seniorenheim. Hören lassen kann sich aber entschieden, was der Generationenchor da zusammen mit der "Groove@Grufties-Band" - Markus Schinkel (Keyboards), Andreas Gerbig (E-Gitarre), Benni Koch (Drums) und Wolfgang Engelbertz (Bass) - präsentiert.

Sehen lassen auch: Zur witzigen Textcollage von Simone de Beauvoir bis Max Frisch und zu den Songs von den Beach Boys bis zu Tom Waits liefern sie wunderbare kleine Figurenstudien zu den Gebrechen und Gelüsten des Alters, den Ängsten und Träumen jenseits der Lebensmitte. "Ein langes Leben muss bezahlt werden mit dauernden Verlusten", heißt es da. Oder "Erfahrung macht dumm".

Das klingt manchmal melancholisch, oft ironisch und meistens ziemlich frech, wenn sie wieder abrocken und eine Show abziehen, bei der die als Krankenschwestern fungierenden Girls einiges zu tun haben, um den Narrenkäfig im Zaum zu halten. Gesangliche Glanznummern steuern die jungen ?Betreuerinnen' bei, "Entertain us" fordern die Alten und sorgen selbst für beste Unterhaltung.

Bei einer herrlich abgedrehten Entspannungsübung "Jede Zelle meines Körpers ist glücklich", darf das ganze Publikum mitmachen. Bis die übliche Seniorenbespaßung denen auf der Bühne zu blöd wird und sie mit "Why don't we do in the Road" unverschämt und quietschlebendig klar machen, dass sie noch keineswegs zum alten Eisen gehören. Und überraschend beweglich demonstrieren, mit wie viel Fantasie Rollatoren einsetzbar sind.

Nach der Pause ist das Alltagsgrau dem Showglamour gewichen: Sie geben sich mit hinreißender musikalischer Power als echte Popstars. "Take a Walk on the Wild Side" heißt das Motto der selbstbewussten jungen Alten, mit denen noch zu rechnen ist. Nicht nur als stille Reserve für soziale Ehrenamts-Aufgaben, sondern laut und unmissverständlich als "Rock'n'Rollators". Auch wenn der zweite Teil ihrer mehr als zweistündigen Show dramaturgisch eine Art verlängerte Zugabe ist.

Die Aufführung hat viele berührend zärtliche, sanft wütende und skurril komische Momente. Sie spielt mit den Schrecken des Altwerdens jedoch so souverän und lustvoll, dass man dem Ernst des Lebens getrost entgegen halten kann: "I'll be here till the End of the Time". Ein bei der ausverkauften Premiere mit kaum enden wollendem Beifall belohntes Theaterereignis! Könnte Kult werden auch für die "Next Generation" - einer der Mitwirkenden wurde am Tag der Generalprobe sogar stolzer Vater von Zwillingen.

Nächste Vorstellungen am 2. und 10.Februar um 19.30 Uhr in der Halle Beuel. Karten bei den Geschäftsstellen des GA.

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