Gespräch am Wochenende Meckenheimer Udo Weinbörner hat Roman über Georg Büchner geschrieben

Vor 200 Jahren, am 17. Oktober 1813, kam im Dörfchen Goddelau bei Darmstadt Georg Büchner zur Welt. Er sollte als Schriftsteller zu Weltruhm gelangen - allerdings nicht zu Lebzeiten. Über das kurze, nur 23 Jahre währende Leben Büchners hat der Meckenheimer Autor Udo Weinbörner einen spannenden Roman geschrieben, der die Hauptperson nicht nur als Literaten, sondern auch als Liebhaber einer Pfarrerstochter vorstellt.

 Der Meckenheimer Autor Udo Weinbörner hat das Leben Georg Büchners in einen Roman gepackt.

Der Meckenheimer Autor Udo Weinbörner hat das Leben Georg Büchners in einen Roman gepackt.

Foto: Hans-Peter Fuss

Der Roman besticht durch historische Detailkenntnisse des vorrevolutionären Deutschland und eine bilderreiche, kraftvolle Sprache. Am Donnerstag, 7. März, 19.30 Uhr, stellt Weinbörner sein Werk im Pfarrzentrum Sankt Martin in Rheinbach vor. Mit ihm sprach Hans-Peter Fuß.

Was hat Sie an Büchner mehr fasziniert: das politische oder das literarische Wirken?
Udo Weinbörner: Weder noch. Fasziniert hat mich die Entdeckung Büchners als Mensch der Leidenschaften, zerrissen von der Liebe zur Pfarrerstochter Minna Jaeglé und seinem sozialen Verantwortungsgefühl, das ihn in einen existenzgefährdenden Kampf für die Menschenrechte trieb. Diese sehr moderne innere Zerrissenheit eröffnete ihm den sprachgewaltigen Blick auf die Verhältnisse seiner Zeit. In der großen von der Literaturgeschichte wie Politik verschmähten Liebesgeschichte liegt mein Schlüssel im Zugang zu einem Büchner aus Fleisch und Blut.

Halten Sie sich weitgehend an die historischen Fakten?
Weinbörner: Ich bin Schriftsteller. Mein Verhältnis zur Wahrheit ist von besonderer Art. Wer schreibt, gestaltet die Wahrheit, will erzählen. Manchmal kunstvoll, dort schimmert sie wie durch zersplittertes Glas oder durch die Farben eines Kirchenfensters. Manchmal messerscharf, protokollgenau, anklagend. Ich führe die Leser mit Versatzstücken aus Briefen, Zitaten aus Büchners Werk und Zitaten von Zeitzeugen ganz nah an die historische Person heran. Dennoch bleibe ich ein geschickter Lügner. Selbst im Detail geschilderte Bruchstücke eines Lebens sind in Wahrheit nur subjektive Interpretationen.

Ihr Roman vermittelt den Eindruck, dass Büchners Leben sich so abgespielt haben könnte.
Weinbörner: Ein Roman will keine Biografie ersetzen. Es ist der eigene Blick auf einen fremden Menschen, der einem durch eine Vielzahl von Zeugnissen entgegentritt, der Blick auf sein Umfeld, die Zeit, in der er lebte und auch das Misstrauen gegen jene, die "ihren Büchner" in der Tasche haben und die Lufthoheit der Meinungsbildung besitzen. Mit einem Roman wird ein Zugang zu Büchner auf anderen Wegen eröffnet als die Literaturgeschichte.

Wo sind im Roman fiktive Elemente zu finden?
Weinbörner: In weiten Passagen folge ich natürlich dem Kenntnisstand der Fachliteratur. Ein Beispiel: Die Szene mit dem gescheiterten Befreiungsversuch von Minnigerode, seinem Freund aus Schülertagen, der wegen des "Hessischen Landboten" in Friedberg inhaftiert war und gefoltert wurde: Ein solcher Befreiungsversuch, wie ich ihn dramatisch im Roman schildere, ist nirgends dokumentiert. Bekannt ist, dass Büchner unbedingt einen solchen Befreiungsversuch wollte. Bekannt ist auch der Zustand des gefolterten Häftlings. Bis zu seinem Tod hat Büchner der Gedanke an den inhaftierten Schulfreund und an dessen notwendige Befreiung gequält. Was tatsächlich damals in Friedberg passiert ist, lässt sich nur schwer dingfest machen. Psychologisch gesehen, hat Büchner seinen Freund nahezu täglich zu befreien versucht. Diese Szenen hat er belegbar immer wieder durchlitten, so als wären sie tatsächlich passiert. Die Schilderung im Roman kommt daher der Person Büchners sehr nahe.

Welches Werk Büchners lesen Sie heute noch gerne?
Weinbörner: "Dantons Tod" ist und bleibt für mich sprachlich und politisch eine unglaubliche Meisterleistung.

Obwohl Büchner nur 23 Jahre alt wurde, gehört sein Werk zur Weltliteratur. Wie erklären Sie sich diese ungeheure Wirkung?Weinbörner: Ein Wunder. Unglaublich. Keines seiner Dramen wurde zu seinen Lebzeiten aufgeführt - und noch 1891 wurde ein Magdeburger Journalist nach Abdruck von "Dantons Tod" zu vier Monaten Gefängnis "wegen Verbreitung unzüchtiger Werke" verurteilt. Erst 1902 kam es zur Uraufführung von "Dantons Tod" durch die Neue Freie Volksbühne und die Freie Volksbühne in Berlin. Es war für mich etwas ganz Besonderes, als Erzähler an diesem Wunder teilhaben zu dürfen.

Politische Sprengkraft hatte 1834 Büchners Flugblatt "Der hessische Landbote", ein Aufruf zur Revolution gegen den Adel im Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Büchner floh nach Straßburg. Wie behandeln Sie diese dramatische Episode?
Weinbörner: Nicht ohne eine eigene Geschichte zu der Forderung, die jeder kennt: "Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" Ein Kapitel im Spannungsfeld von Revolution und Verrat. Der Leser erfährt Einzelheiten, die auch aus den Aussagen des Verräters Kuhl vor dem Untersuchungsrichter rekonstruiert wurden. Über die Flucht Büchners nach Straßburg ist wenig bekannt. Ähnliche belegte Schicksale vor Augen, darf der Leser einer dramatischen Handlung folgen, die Büchners Situation nachvollziehbar macht.

Zur Person
Udo Weinbörner, 1959 in Plettenberg (Westfalen) geboren, lebt in Meckenheim. Er ist Referatsleiter im Bundesamt für Justiz in Bonn. 1989 erschien sein Roman "In Sachen Eva D." über die Lebensgeschichte einer zwangssterilisierten Frau im Deutschland der 50er Jahre. Von 1986 bis 1996 hat Weinbörner die "Bonner literarische Zeitung" herausgegeben. Er hat auch erfolgreiche Sachbücher veröffentlicht. Bekannt geworden ist Weinbörner vor allem mit seinen Romanen "Schiller", "Der General des Bey - Das abenteuerliche Leben des Amrumer Schiffsjungen Hark Olufs" und "Georg Büchner - Das Herz so rot". Daraus liest Weinbörner am Donnerstag, 7. März, 19.30 Uhr, im Pfarrzentrum Sankt Martin, Lindenplatz 4, Rheinbach. Eintritt: fünf Euro, Schüler zwei Euro. Karten gibt es in der Buchhandlung Kayser, Hauptstraße 28, und in der Bücherei Sankt Martin, Lindenplatz 4, in Rheinbach.

Georg Büchner
Georg Büchner, 1813 geboren im hessischen Goddelau, gilt als einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Sein Werk umfasst das Drama "Dantons Tod", das Lustspiel "Leonce und Lena", das Dramenfragment "Woyzeck", die Erzählung "Lenz" und die politische Streitschrift "Der hessische Landbote". Da der "Landbote" revolutionäre Forderungen enthielt ("Friede den Hütten! Krieg den Palästen!"), wurde Büchner steckbrieflich gesucht. Der Verhaftung entzog er sich durch die Flucht von Gießen, wo er studierte, nach Straßburg. Büchner starb 1837 in Zürich im Alter von nur 23 Jahren an Typhus.

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