Interview mit "Die Anstalt"-Kabarettist Max Uthoff kommt mit „Gegendarstellung“ nach Bonn

BONN · Der Münchener Kabarettist Max Uthoff kommt mit einer neuen Folge der Sendung „Die Anstalt“ ins ZDF und zeigt in der Oper Bonn sein Programm „Gegendarstellung“.

 Max Uthoff.

Max Uthoff.

Foto: Michel Neumeister

GA: Herr Uthoff, Jamaika ist geplatzt. Passt Reggae nicht auf das Berliner Parkett?

Max Uthoff: In Berlin ist man eher im klassischen Tanzschulstil unterwegs. Ich denke, Reggae ist zu cool – für die FDP.

GA: Beflügelt das Ergebnis aus Berlin die Fantasie bei der Planung Ihrer nächsten „Anstalt“?

Uthoff: Nicht direkt. Zum Konzept der Sendung gehört, dass wir uns von tagesaktuellen Dingen nicht allzu abhängig machen. Wir gehen darauf ein, wenn es passt, konzentrieren uns aber lieber auf ein zentrales Thema, das wir für die jeweilige Sendung gesetzt haben.

GA: Wie lautet das Leitmotiv der nächsten Sendung?

Uthoff: Pflege. Wir veranstalten Weihnachten im Pflegeheim. Der Ablauf steht zwar noch nicht fest, aber wir wissen, welche Schwerpunkte wir setzen. Was regt uns auf, was ist noch nicht gesagt worden? Es geht um Aspekte, von denen wir wollen, dass die Zuschauer sie erfahren.

GA: Welche Aspekte zum Beispiel?

Uthoff: Die Überforderung des Pflegepersonals. Die Privatisierung im Pflegebereich schreitet fort, da stehen einem die Haare zu Berge.

GA: Mit welchem Auftrag kommen Carolin Kebekus, Ohne Rolf, Dave Davis und Henning Venske in die Sendung?

Uthoff: Wir haben unseren Gästen in diesen Tagen das Thema der Sendung mitgeteilt, sie müssen sich aber nicht zwingend danach richten. Manchmal ist es sogar erfrischend, wenn sie sich inhaltlich mit ihrem Solo völlig abheben.

GA: Dave Davis hat noch einen weißen Kittel im Schrank hängen. Huscht er als Toilettenmann Motombo durchs Pflegeheim?

Uthoff: Gut möglich. Und wenn man einen Henning Venske in der Sendung hat, drängt sich die Idee auf, ihn als Pflegefall ein wenig zu demütigen. Er wäre ein wunderbar renitenter Patient.

GA: Ist die Studiokulisse mit ihren Fluren und Galerien ein Segen?

Uthoff: Klar, aber es gibt gewisse Einschränkungen. Wir können beispielsweise keine Einspielfilme zeigen. Doch Claus und ich sind Freunde des gepflegten Boulevards. Das läuft wie in einer Neil-Simon-Komödie: Die Tür geht links oben auf und rechts unten zu. Damit kann man ein schönes Tempo erzeugen.

GA: Wann proben Sie mit Gästen?

Uthoff: Wir haben nur zweieinhalb Tage Zeit. Alles muss auf den Punkt kommen. Das erfordert Disziplin bei Textmengen und Choreographie.

GA: Wie gehen Sie mit Kritik an der Sendung um?

Uthoff: Natürlich bevorzugen wir bei manchen Themen eine andere Argumentation, darüber regen sich Zuschauer auf oder auch nicht, doch politisches Kabarett muss provozieren dürfen. Sonst läuft etwas falsch.

GA: Und der Haussender lässt Sie stets gewähren?

Uthoff: Ja. Wir werden gelegentlich gefragt, ob uns das ZDF in die Sendung redet. Doch bis jetzt gab es keinerlei Versuche. Eine andere Taktik wäre auch kaum erfolgversprechend.

GA: Diese Senderpolitik genießen auch die Kollegen von der „Heute-Show“. Gibt es eine Art Seelenverwandtschaft?

Uthoff: Claus von Wagner tritt öfter dort auf, und unser Autor Dietrich Krauß schreibt gelegentlich für die „Heute-Show“.

GA: Sie sind mit Ihrem Solo „Gegendarstellung“ auf Tournee. Was haben wir beim Gastspiel in Bonn zu erwarten?

Uthoff: Ich spiele eine aktualisierte Fassung und formuliere erneut eine Reihe von Ansichten, die vom Mainstream der bürgerlichen Medien abweichen.

GA: Sie setzen sich mit einem Phänomen auseinander, das Sie „Die Wucht der Behauptung“ nennen. Meinen Sie Fake News?

Uthoff: Es geht darum, dass viele Zeitgenossen so tun, als ob die schlichte Behauptung einer Tatsache gleichkommt. Und mit der „Wucht“ meine ich, dass solche Behauptungen ständig wiederholt werden.

GA: Es geht dabei nur um die Debattenkultur in Sozialen Medien?

Uthoff: Auch die Lobpreisungen des Neoliberalismus werden unablässig wiederholt. Es gibt wohl keinen Begriff, der häufiger über den Tisch gezogen wurde als das Wort „Freiheit“. Man sagt nie dazu, dass nur eine einzige Interpretation gemeint ist, nämlich die wirtschaftliche Freiheit, also die Möglichkeit, noch mehr Profite zu generieren. In Bezug auf die Diskrepanz zwischen Arm und Reich stößt mir das sauer auf.

GA: Empfinden Sie es als Lob, wenn Sie von „bürgerlichen“ Medien als „geschniegelter Brettl-Stalinist“ bezeichnet werden?

Uthoff: Ja, und es ist ein ganz besonderes Lob für einen linken Kabarettisten wie mich. Deshalb werbe ich damit auch auf meiner Internetseite. Wenn man bedenkt, wie viele Menschenleben Stalin auf dem Gewissen hat – wirklich bizarr.

GA: Sie haben einst Jura studiert. Warum sind Sie politischer Scharfrichter geworden und nicht richtiger Richter oder wenigstens Anwalt?

Uthoff: Ich habe während des Studiums gemerkt, dass die Rechtsanwendung wenig mit der Frage der Gerechtigkeit zu tun hat. Rechtsanwendung ist nur eine Form von Technik. Mit hat das Herzblut gefehlt.

GA: Eigentlich habe ich eine andere Antwort erwartet.

Uthoff: Welche?

GA: Ich dachte, die Berufswahl hätte mit Ihrer Kindheit zu tun, denn Sie sind im Kleinkunsttheater Ihrer Eltern aufgewachsen.

Uthoff: Stimmt. Mein Gott, Emil hatte sein erstes Gastspiel bei uns, da war ich sieben oder acht. Georg Kreisler war regelmäßig im Theater. Das war unterhaltsamer als meine Zeit in Gerichtssälen. Ich denke, es war die richtige Entscheidung. Ich habe früher im Ensemble meines Vaters mitgespielt, mache seit zehn Jahren Solokabarett. Also: Kleinkunst ist abwechslungsreicher.

GA: Wie geht es in Berlin weiter?

Uthoff: Neuwahlen – oder eine Minderheitsregierung. Aber dann bestehe ich darauf, dass die richtige Minderheit zum Zug kommt. Nicht die CDU, sondern eine, die mehr Spaß macht.

GA: Wer könnte das sein?

Uthoff: Vielleicht die 600 000 Italiener, die in Deutschland leben. Wenn wir diese Minderheit zur Regierung machen, hätten wir Dolce Vita.

GA: Italiener sind Experten. Kein Land hatte nach 1945 mehr Minderheitsregierungen, oder?

Uthoff: Wenn einer Minderheitsregierung kann, dann die Italiener. Und sie könnten auf diesem Weg doch noch an der Fußball-WM teilnehmen.

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