Max-Ernst-Museum zeigt Werke von Nike de Saint Phalle

Brühl · Welch unbändiger Zorn mag in einer Frau lodern, die Requisiten ihrer verflossenen Liebhaber auf eine Platte nagelt und sie mit Dart-Pfeilen bombardiert?

 Retrospektive: Die Tochter von Niki de Saint Phalle, Laura Duke, schaut sich im Max-Ernst-Museum in Brühl die Plastik "Nana" an. "Niki de Saint Phalle - Spiel mit mir" ist bis zum 3. Juni zu sehen.

Retrospektive: Die Tochter von Niki de Saint Phalle, Laura Duke, schaut sich im Max-Ernst-Museum in Brühl die Plastik "Nana" an. "Niki de Saint Phalle - Spiel mit mir" ist bis zum 3. Juni zu sehen.

Foto: dpa

Niki de Saint Phalle (1930-2002) hat so Wut und künstlerischen Gestaltungswillen in Einklang gebracht. Emotionale Entladungen dieser Art mag manch einer der Künstlerin nicht zugetraut haben, die mit ihren drallen "Nanas" Weltruhm erlangt hat. Die aktuelle Sonderausstellung im Max-Ernst-Museum in Brühl legt einen besonderen Schwerpunkt auf das Frühwerk und die dunklen Seiten der französisch-amerikanischen Malerin und Bildhauerin, die ein vielgestaltiges Werk hinterlassen hat, das in einem chronologisch angelegten Parcours aufgefächert wird.

Museumsdirektor Achim Sommer hat eine konzentrierte Auswahl aus der Fülle von Arbeiten getroffen, die zuvor in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall zu sehen waren. In Brühl kann man nicht mit spektakulären Großskulpturen aufwarten, stattdessen wird ein durchdachter Einblick in den "Niki-Kosmos" vermittelt, der sich in 85 Gemälden, Assemblagen, Plastiken, Zeichnungen und Modellen für Architekturprojekte anschaulich entfaltet.

Niki de Saint Phalle, die einer alten französischen Adelsfamilie entstammt, begann als 18-Jährige in New York eine Model-Karriere und nahm in Paris Schauspielunterricht. Nachdem sie 1953 einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, entschloss sie sich im Zuge der therapeutischen Behandlung, Künstlerin zu werden.

Die Autodidaktin erschafft sich eine unbefangen-naive, kindlich-verträumte, farbenfrohe Welt, wie man sie etwa auf dem Gemälde "Mit Dir im Zoo" sehen kann. Darin ist das Motivvokabular angelegt, dem man künftig immer wieder begegnen wird: einer Menagerie von Tieren und Fabelwesen, Aktdarstellungen, Kreise und Spiralen, Kurven und Wellen, die fantasievoll ins Bild gesetzt werden.

Vor Nikis Einfallsreichtum sind weder Küchengeräte noch das Spielzeug der Kinder Laura und Philip sicher, das sie ebenso zu Assemblagen verarbeitet wie Bruchstücke aus Porzellan. Auch im Schrottarsenal von Jean Tinguley, mit dem sie 1960 ein Atelier in Paris bezieht, wird sie fündig. Was verfügbar ist, wird für die Kunst eingesetzt, die für Niki freilich vor allem einem Zweck dient: der Verarbeitung der traumatischen Missbrauchserfahrung durch den eigenen Vater.

1961 schießt sie auf Gipsbilder, die sie mit Farbbeuteln präpariert hat und rebelliert so gegen die Männer und das Patriarchat, die politischen Umstände und die Zwänge der eigenen Existenz. Fortan verbannt sie die Männer aus ihrem Werk und feiert die Weiblichkeit. Aus Wolle und Stoff entstehen die Vorläufer der "Nanas", jener leichtfüßig balancierenden, lebensfrohen Matronen mit den üppigen Rundungen, die über die Verletzungen im Leben der Künstlerin hinwegtäuschen und sie zu einer Heldin des Feminismus werden lassen.

Der Werkstoff Polyester wird Niki de Saint Phalle zum Verhängnis. Giftige Dämpfe schädigen ihre Lunge, wegen des Klimas zieht die sie nach Kalifornien, wo sie sich in Auseinandersetzung mit der indianischen Mythologie einer Serie von Totems widmet. Und hier zeigt sich einmal mehr ihre Geistesverwandtschaft mit Max Ernst, den sie 1975 auf einem Blatt als Vogel dargestellt hat, während seine Frau Dorothea Tanning in Gestalt einer Nana auftritt. "Den Tod gibt es nicht, das Leben ist ewig", verkündet sie auf einer ihrer letzten grafischen Arbeiten, bevor sie 2002 in San Diego stirbt.

Max- Ernst-Allee 1. Bis 3. Juni 2012. Di-So 11-18 Uhr. Katalog 34,90 Euro an der Museumskasse.

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